Wer möchte heutzutage den DocFinder missen? Die Ärztesuch-Plattform ist schnell zur Hand, wenn man einen Arzt in seiner Umgebung finden und die Ordinationszeiten wissen will. Aber nicht nur das. Da gibt es ja auch noch, alles andere als unwesentlich, die Erfahrungsberichte anderer Patienten, mit deren Hilfe man weitgehend abzuchecken zu können glaubt, ob es sich um einen guten Doktor handelt oder nicht. Die Macht der Ärzte scheint damit ein Stück weit gebrochen. Ähnlich den Lehrern, die ja durch die neuen kommunikativen Medien gleichfalls einer stärkeren sozialen Kontrolle unterliegen als früher, stehen nun auch die Götter in Weiß unter ständiger Beobachtung und haben sich einer öffentlichen Beurteilung auszusetzen. Eine Vernetzung der Patienten untereinander könnte also ein wichtiger Schritt hin zum mündigen Bürgertum sein, sollte man meinen, weg von der Jahrhunderte alten übertriebenen Ehrfurcht vor den Ärzten. So weit die Fantasie. Die Realität schaut ein bisschen anders aus.

Meine Erfahrung mit meinem Erfahrungsbericht

Auf welche Hindernisse man stoßen kann, wenn man tatsächlich einen negativen Erfahrungsbericht über einen Arzt online stellen möchte, erlebte ich selbst im vergangenen Herbst. Und hatte ich für die Einwände des DocFinder-Supports, in denen man mich zu Änderungen in meinem Text aufforderte, anfänglich noch ein gewisses Verständnis, so verlief sich die Art, wie hier mit mir umgegangen wurde und was ich für Antworten erhielt, allmählich im Kafkaesken.

Anstatt dass mein Erfahrungsbericht alsbald online gegangen wäre, bekam ich zuerst einmal eine längere Mail des DocFinder-Teams, das mich auf die Nutzungsregeln aufmerksam machte. Dazu gehöre eine strenge Trennung zwischen subjektiver Meinung und objektiv beweisbaren Tatsachen, der Verzicht auf Anschuldigungen und einiges mehr, informierte man mich. Was nun genau an meinem Text nicht diesen Regeln entsprach, wurde mir allerdings nicht mitgeteilt. Offenbar erwartete man, dass ich das selbst herausfinde. Trotzdem wurde mir nur ein einziges Mal die Chance gegeben, den Text zu ändern: "Bei Einhaltung unserer Nutzungsregeln stellen wir Ihre Bewertung dann dar, ansonsten bitten wir um Verständnis, dass uns dies nicht möglich ist."

Ich versuchte mich anzupassen und ging dabei für meine Begriffe ziemlich weit. Nicht nur strich ich scharfe Formulierungen, sondern überhaupt alles, was nach Beurteilung und Bewertung klang, und sogar Schlussfolgerungen, die für mich eigentlich auf der Hand lagen. Stattdessen schilderte ich nur mehr das faktisch Erlebte der Reihe nach, freilich dennoch so, dass sich jeder selbst einen Reim darauf machen konnte.

Wurde mein Erfahrungsbericht daraufhin freigeschaltet? Nein. Zuerst einmal bekam ich stattdessen eine Aufforderung, einen Beleg zu schicken dafür, dass ich wirklich bei der Ärztin gewesen sei. Das tat ich, fand es aber seltsam, denn davon war zuvor nie die Rede gewesen. Muss das jeder tun, der einen Erfahrungsbericht schreibt, fragte ich mich. Oder trifft das nur auf bestimmte Fälle zu, so wie auf mich? Misstraute man mir?

Dann geschah zwei Monate lang nichts. Vor wenigen Tagen erhielt ich jedoch eine kryptische Mail vom DocFinder-Support. Meine Punktebewertung übernehme man, aber: "Da wir die nicht verifizierbaren Tatsachenbehauptungen jedoch nicht überprüfen konnten, können wir den Erfahrungsbericht leider nicht veröffentlichen."

Wie weit darf die Kritik an Ärzten gehen?
Foto: Getty Images/kupicoo

Intransparenz und zweierlei Maß

Was offenkundig eine merkwürdige Feststellung ist. Persönliche Erfahrungsberichte sind eben persönliche Erfahrungsberichte. Mein Bericht ist genauso gut oder genauso schlecht verifizierbar wie alle anderen. Wie soll denn einer beweisen, was ihm gegenüber ein Arzt gesagt und getan hat und was nicht?

Mit solchen Stehsätzen sichert sich das DocFinder-Team jedoch ab und sorgt insbesondere dafür, dass es die letzte Kontrolle darüber behält, was veröffentlicht wird und was nicht – und das selbst demjenigen gegenüber, dem kein Verstoß gegen die Regeln der Plattform nachgewiesen werden kann.

Noch etwas anderes ist allerdings auffallend: Für die Veröffentlichung positiver Erfahrungsberichte werden anscheinend keine vergleichbaren Hürden aufgebaut. Da gibt es jede Menge Patientenkommentare, in denen gänzlich subjektive Eindrücke wie objektive Tatsachen präsentiert werden beziehungsweise beides miteinander unbedenklich vermischt wird. Wo ist denn der sachliche Inhalt, wenn da jemand davon schwärmt, wie "herzlich", "nett", "super", "toll" und "lieb" und vor allem natürlich auch "kompetent" die Frau Doktor und ihr Personal nicht wären, oft ohne irgendeine nähere Begründung? "Eine tolle Ordination! Man fühlt sich total willkommen!", schreibt da einer. "Ich war sehr angetan von der modernen und neuen Einrichtung", muss sogar ein anderer loswerden. Wenn ich schriebe, dass ich die Einrichtung "grässlich" fände, oder ohne nähere Begründung behauptete, die Ärztin sei "unwirsch" und "inkompetent", würde DocFinder das akzeptieren?

Die sich daraus ergebende Asymmetrie gibt einem noch mehr zu denken, wenn man inmitten der Jubel-Kommentare immer wieder, so gar nicht dazu passend, liest: „Diese Bewertung musste entfernt werden“.

Was indessen hinter den Kulissen läuft, bleibt ungreifbar. Dafür sorgt übrigens auch der seltsame Ton, in dem die Mails von DocFinder verfasst sind. Das sind Texte, als hätten sie keine Menschen geschrieben, sondern Computerprogramme. Kaum kann man ausmachen, was daran automatisch generierte Antworten sind und was nicht. Sowieso sind die Nachrichten stets anonym. Mir ist schon klar, dass so etwas auch dem Schutz von Mitarbeitern dienen kann. Jedenfalls schaffen sie Distanz und stellen eine eindeutige Hierarchie her. Es sind Nachrichten, die einen vor vollendete Tatsachen stellen. Da noch einmal nachzufragen oder gar Einspruch zu erheben, ist sinnlos, erklärt einem dieser Stil.

Offene Fragen

Dass auf DocFinder "nicht alles Gold ist, was glänzt", darauf verweist auch ein Artikel im "Kurier". Und obwohl es laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs angeblich nicht mehr so einfach wie früher sein soll, dass Ärzte die Löschung von negativen Erfahrungsberichten verlangen können, weiß das Blatt von Beschwerden über Entfernungen kritischer Kommentare bei der Österreichischen Patientenanwaltschaft zu berichten. Doch ein solcher Schritt sei ganz gewiss die "letzte Instanz", versichert diesbezüglich der DocFinder-Geschäftsführer Gerald Timmel. Auch keinen Interessenskonflikt sieht er darin gegeben, dass Ärzte bei seinem Unternehmen einen besseren und schöneren Online-Auftritt kaufen können.

Manche wird er freilich damit wohl nicht mehr so ganz überzeugen können. User "snoopie" etwa, der in ein anderes Forum übergewechselt ist, um dort, ein wenig misstrauisch geworden, von seiner negativen Erfahrung mit DocFinder zu berichten: "Irgendwann kam der Punkt dass ich auch mal einen Arzt nicht sonderlich positiv empfunden habe, also habe ich eine sehr neutrale Bewertung geschrieben. Bamm krieg ich eine Mail das widerspricht den Regeln, ich darf in 3 Monaten wieder, ich hab mir die Mühe gemacht jetz [sic!] vor ein paar Wochen das wieder zu tun, diesmal zwar keine Email aber die Bewertung erscheint nicht."

Und aufgrund der ihm seltsam vorkommenden Umstände – er kennt den Charakter seines Arztes und weiß, dass dieser ganz besonders intolerant auf Kritik reagiert – stellt er sich am Ende die Frage: "Kann es sein dass die Ärzte die Bewertungen vorab zu lesen bekommen und dann selektieren was reinkommt, manchen ist das vielleicht zu mühsam und alles kommt rein?" (Ortwin Rosner, 27.1.2020)

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