In den letzten 20 Jahren hat sich die IT-Branche vom hoffnungsvollen Emporkömmling in eine der mächtigsten Industrien der Welt verwandelt. Ihre Erfindungen werden von Menschen auf der ganzen Welt genutzt, egal ob in Schwellenländern oder Industriestaaten. Der moderne Alltag wäre ohne Dinge wie Smartphones, soziale Netzwerke oder Onlineshopping kaum noch vorstellbar.

Mit großer Macht, so lautet ein unbelegterweise Voltaire zugeschriebenes Zitat, kommt große Verantwortung. Doch dieser scheinen einige Firmen oft nicht gerecht zu werden. Fragwürdige Produkte und Dienste, ein problematischer Umgang mit Nutzerdaten oder den eigenen Mitarbeitern und andere Bedenken kommen mittlerweile aus Politik und Zivilgesellschaft. Manche Beobachter sehen in den Techmultis mittlerweile gar eine Bedrohung der Demokratie.

Bei "Slate" hat man eine "Liste des Bösen" erstellt, auf der sich die 30 subjektiv bedrohlichsten Firmen aus dem Technologiebereich finden. Dort zu finden sind einerseits offensichtliche Kandidaten wie Facebook (Platz zwei), das in den letzten Jahren mit Datenschutzskandalen aufgefallen ist und während dieses Präsidentschaftswahlkampfes auch politische Werbung zulassen wird, in der Lügen verbreitet werden. Ein Auszug.

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Platz 29: Cellebrite

Lange unter dem Radar geflogen, aber schon seit über 20 Jahren in Betrieb ist die Firma Cellebrite. Das 1999 gegründete Unternehmen spezialisiert sich unter anderem auf das Knacken von Smartphones und gelangte rund um den Streit zwischen dem FBI und Apple nach dem Attentat in San Bernardino 2015 zu größerer Bekanntheit. Der iPhone-Hersteller weigerte sich nämlich, das Handy von einem der beiden Täter digital "aufzubrechen" und stellt sich auch gegen die Implementation von Hintertüren ab Werk, da man darin ein Werkzeug sieht, das genauso auch von Kriminellen missbraucht werden könnte.

Letztlich kamen die Ermittler dank eines externen Partners dennoch an die Daten auf dem Handy und laut Berichten soll diese rPartner Cellebrite gewesen sein. Etwas, was das Unternehmen erst 2019 offiziell bestätigte. Die Firma bietet ihre Produkte und Dienste Behörden rund um die Welt an. Während man argumentieren kann, dass die Mithilfe zur Aufklärung eines Terrorakts durchaus löblich ist, wird die Technologie von Cellebrite auch zu ganz anderen Zwecken genutzt. 2017 etwa soll sie seitens der Behörden zum "Einbruch" in die Handys von zwei Reuters-Journalisten, die über den Völkermord an den Rohingya in Myanmar berichteten, genutzt worden sein.

Die gefundenen Informationen wurden in einem Prozess als Beweismaterial verwendet und die Reporter zu siebenjährigen Haftstrafen verurteilt. Auch auf internationalen Druck hin kamen sie letztlich im Vorjahr frei. Cellebrite verweigerte zu dem Vorfall bislang jeden Kommentar, stellte aber vor zwei Jahren seine Aktivitäten in Myanmar offiziell ein.

Platz 23: Anduril Industries

Mit Oculus und der VR-Brille Rift löste der Unternehmer Palmer Luckey einen beachtlichen Hype rund um VR-Technologie aus. Nach einer enorm erfolgreichen Kickstarter-Kampagne verkaufte er sein Unternehmen an Facebook und verließ es später unter mysteriösen Umständen. Das "Wall Street Journal" berichtet, dass Facebook ihm seinen Abgang nahelegte, nachdem er Geld an eine rassistische Gruppierung von Trump-Unterstützern gespendet hatte, was der Konzern allerdings bestreitet.

Gemeinsam mit einem ehemaligen Palantir-Manager gründete Luckey 2017 schließlich Anduril Industries, benannt nach einem mächtigen Schwert aus der Herr-der-Ringe-Saga. Die Firma verdient Millionen an Aufträgen der Trump-Regierung, für die man eine "virtuelle Grenzmauer" errichtet. Konkret baut man solarbetriebene Türme mit Kameras und Sensoren, die ihre Aufnahmen KI-gestützt auswerten. Die Organisation Mijente, die sich für die Rechte von Migranten einsetzt, spricht von "Algorithmen, die trainiert werden, um rassistische und fremdenfeindliche Politik umzusetzen".

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Platz 13: Tencent

Wer in China komfortabel mit anderen chatten und eine Reihe von Dienstleistungen wie mobiles Bezahlen über sein Handy in Anspruch nehmen will, kommt an Wechat nicht vorbei. Die App mit 1,15 Milliarden Nutzern gehört zum Konzern Tencent, der auch ein Riese im Feld der Elektronik ist. Und was viele nicht wissen: Er ist auch der weltgrößte Spielepublisher. Ihm gehören etwa Riot Games ("League of Legends"), die PUBG Corporation und 40 Prozent von Epic Games.

Gleichzeitig, so meint etwa ein Autor des Investigativjournalismus-Portals "The Intercept", zeigt das Unternehmen auch eine Vision so mancher Silicon-Valley-Kapitalisten auf. Ein mächtiger Konzern im Schatten einer autokratischen Regierung, der in seinem Heimatmarkt, in dem es keine freie Presse gibt, mehr oder weniger nach Belieben schalten und walten kann. Und dabei dem Regime hilft, seine Ambitionen zu realisieren. Implementierte Zensurmaßnahmen treffen aber mitunter auch Menschen, die gar nicht in China leben. Zuletzt etwa sahen sich zahlreiche chinesischstämmige Amerikaner mit Kontosperren auf Wechat konfrontiert, weil sie sich dort zur Situation in Hongkong geäußert hatten.

Platz 10: Exxon Mobil

Exxon ist eigentlich ein Ölkonzern, der sich seit einigen Jahren aber auch als Technologiefirma zu positionieren versucht. Der Multi ist vor allem für Klimaschützer schon lange ein rotes Tuch. Schon in den 1970ern und 1980ern sollen Wissenschafter im Auftrag des Unternehmens in eigenen Untersuchungen bestätigt haben, dass CO2-Emissionen den Anstieg der Weltdurchschnittstemperatur begünstigen.

Doch statt auf diese Erkenntnis hin Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen, beschloss man stattdessen, das eigene Geschäftsmodell mit fragwürdigen Methoden zu verteidigen. Seit Jahrzehnten soll Exxon hinter Desinformationskampagnen stecken und massiv Lobbyingarbeit betreiben, um die US-Politik in seinem Sinne zu beeinflussen. Dies soll auch ein maßgeblicher Grund dafür gewesen sein, warum die Vereinigten Staaten 1998 nicht dem Kyoto-Protokoll beigetreten sind.

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Platz 7 und 6: Microsoft und Apple

Microsoft versucht seit einigen Jahren, sich als freundliches Gesicht der IT-Branche zu präsentieren. Windows 10 gibt es de facto gratis, und die eigenen Produkte werden stets damit beworben, dass sie uns das Arbeitsleben vereinfachen sollen. Dazu ist man auch mit der Xbox im Spielesektor nicht gerade ein kleiner Player. Apple wiederum landete mit dem iPod in den frühen 2000ern einen Hit und legte mit dem iPhone einen zweiten nach, dem es seinen Aufstieg zum zeitweise wertvollsten Konzern der Welt großteils zu verdanken hat. Seitdem hat man sich ausgebreitet und bietet beispielsweise auch drahtlose Ohrhörer sowie Musik- und Serienstreaming an.

Für Sorgen sorgen allerdings die Aktivitäten beider Konzerne in China. In den USA zeigt sich Microsoft gegenüber Überwachungsplänen aus der Politik abweisend. In China verfassten Forscher des Unternehmens gemeinsam mit der vom Militär gelenkten Universität für Militärtechnologie mehrere Arbeiten, die sich unter anderem mit Gesichtserkennung befassten. Menschenrechtler befürchteten, dass die Regierung die Erkenntnisse für Zwecke wie die Totalüberwachung der Uiguren einsetzen könnte.

2016 baute Microsoft eine Datenbank mit Bildern von rund 100.000 Autoren, Aktivisten und anderen Personen, an der sich zwei Überwachungstechnologie-Firmen bedienten, die in Xinjiang, der Heimat vieler Uiguren, für die Regierung arbeiten. Sie trainierten damit die Erkennungsfunktionen ihrer Systeme. Nach öffentlicher Kritik entfernte Microsoft im vergangenen Sommer die Datenbank.

Für Apple ist China ebenfalls Big Business – nicht nur, weil man dort iPhones verkauft, sondern weil dort auch ein beachtlicher Teil von Fertigung und Lieferkette beheimatet ist. Und dem scheint man die sonst vertretenen Werte schon einmal unterzuordnen. So nahm man etwa auf Druck der Regierung diverse VPN-Dienste aus dem chinesischen App-Store.

Ebenfalls aus dem Katalog genommen, dann wieder freigeschaltet und schließlich doch wieder entfernt – diesmal aus dem Store für Hongkong – wurde eine App der Demokratiebewegung. Das zog auch einige internationale Kritik nach sich.

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Platz 1: Amazon

Der weltweit führende E-Commerce-Konzern steht auch an der Spitze des "Slate"-Rankings. China ist hier viel weniger ein Thema, dafür findet man allerdings zahlreiche andere Kritikpunkte an der Firma, die vom Buchhändler zum Weltkonzern aufstieg.

So soll Amazon einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Sterben vieler Einzelhändler geleistet haben. Immer wieder wird auch über problematische Arbeitsbedingungen an diversen Standorten berichtet. In Deutschland ist Amazon im Dauerstreit mit der Gewerkschaft über die Entlohnung der Angestellten. Es gibt auch Berichte über ein problematisches Arbeitsklima, unter dem vor allem Frauen und Minderheiten leiden.

Sorgen bereiten auch die smarten Lautsprecher des Unternehmens, noch mehr allerdings die vernetzten Türklingeln mit Kameras, genannt Ring. Denn in den USA gibt man mancherorts der Polizei über Partnerschaften praktisch freien Zugriff auf die Aufnahmen der Geräte. Und man bemüht sich auch um die Zusammenarbeit mit Militär und Behörden, wobei es auch hier oft um Überwachung geht.

Dem nicht genug, sorgt die Logistik von Amazon zudem für beachtliche CO2-Emissionen, auch wenn sich der Konzern künftig der Klimaneutralität verpflichtet hat. Die Kontrolle am eigenen Marktplatz ist fehleranfällig, immer wieder rutschen teils gefährliche Produktfälschungen ins Angebot. Und dann wäre auch noch der eher kreative Umgang mit den eigenen Steuerzahlungen, die man mit großer Mühe zu minimieren versucht. Ein Vorgehen, für das auch diverse andere IT-Konzerne immer wieder kritisiert werden. (red, 20.1.2020)