Berlin/Brüssel – Es kann ein erster Schritt Richtung Normalität in Libyen sein: Die gemeinsame Erklärung von 16 Staaten und internationalen Organisationen bei der Berliner Konferenz am Sonntagabend bietet eine Grundlage zum Start eines Friedensprozesses.

Die Teilnehmerstaaten des von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel initiierten Gipfels verpflichteten sich zur Einhaltung und Kontrolle des von der Uno verhängten Waffenembargos von 2011 und zur Nichteinmischung in den bewaffneten Konflikt. Sie bekannten sich auch zur "Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens".

Ein dauerhafter Waffenstillstand soll erreicht werden, bei Verstößen soll der UN-Sicherheitsrat Sanktionen verhängen. Die Milizen müssten demobilisiert und entwaffnet, schweres Gerät wie Artillerie und Flugzeuge abgezogen werden.

Merkel erklärte nach dem Treffen, es sei klar, dass bei dem Gipfel nicht alle Probleme Libyens gelöst werden konnten. Ihr sei es lediglich um einen "neuen Impuls" gegangen. Gemeinsam mit UN-Generalsekretär António Guterres betonte Merkel, dass es keine militärische Lösung für Libyen geben könne. Deshalb sollen die Institutionen und das Gewaltmonopol des Staates gestärkt werden, um eine Rückkehr zu einem politischen Prozess zu ermöglichen.

Beim Waffenembargo waren der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Uno-General António Guterres und der russische Präsident Wladimir Putin bisher nicht auf einer Linie.
Foto: AFP /O Odd Andersen

In Libyen herrscht seit dem Sturz Muammar al-Gaddafis im Jahr 2011 Chaos. Libyens international anerkannte Regierung unter Premier Fayez al-Serraj wird von der "Libyschen Nationalarmee" unter General Khalifa Haftar bekämpft. Haftars Truppen kontrollieren mittlerweile den Großteil des Landes und stehen kurz vor der Hauptstadt Tripolis. Das zerrüttete Land ist ein Einfallstor für illegale Migration nach Europa. Schlepperbanden schicken immer wieder Migranten ungehindert auf seeuntauglichen Booten Richtung Malta und Italien los.

Weitere Gipfel geplant

Deutschlands Außenminister Heiko Maas kündigte für Februar Folgetreffen der Konferenz an. So soll Anfang Februar auf Ebene der Außenminister beraten werden. Der Libyen-Gesandte der Uno, Ghassem Salamé, werde die Konfliktgegner noch diese Woche zu Gesprächen einladen. Serraj kündigte am Montag an, er werde den Aufruf zu einem Waffenstillstand und Gesprächen respektieren – mit Haftar werde er sich jedoch nicht an einen Tisch setzen.

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Der zweite Schritt könne nicht vor dem ersten gemacht werden, sagt Deutschlands Außenminister Heiko Maas.
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht in den Ergebnissen des Berliner Gipfels eine "Grundlage für einen Waffenstillstand" in Libyen. Das Eingreifen der Türkei in den Konflikt habe die Hoffnung auf Frieden erhöht, meint Erdogan. Er habe aber bisher nur Berater und keine Soldaten geschickt. In der vergangenen Woche hatte Erdogan erklärt, dass die Türkei bereits mit der Entsendung von Truppen begonnen habe. Ankara steht auf der Seite der Regierung Serrajs, während Haftar unter anderem von Russland und Griechenland unterstützt wird.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich weniger optimistisch über das Ergebnis des Gipfels und sieht nur einen "kleinen Schritt nach vorn", schließlich habe es in Berlin keinen ernsthaften Dialog zwischen den Konfliktparteien gegeben. Tatsächlich waren sowohl Serraj als auch Haftar in Berlin anwesend, nahmen jedoch nicht an der Konferenz teil, sondern trafen sich mit Merkel lediglich zu Einzelgesprächen.

Das Thema Libyen war auch das wichtigste Thema beim Treffen der 28 EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Der Außenbeauftragte Josep Borrell schlug vor, die EU-Operation "Sophia" im Mittelmeer zu aktivieren, um das in Berlin angesprochene Waffenembargo durchzusetzen. Diese war vor einem Jahr wegen des Streits um die Verteilung von Migranten aus Libyen reduziert worden.

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Hat erheblichen Abstimmungsbedarf mit den Außenministern der EU-Staaten: der Außenbeauftragte Josep Borrell.
Foto: Reuters / Johanna Geron

Das Problem: Frontex hat keine Schiffe mehr für den Einsatz. Seit 2015 wurden vor Libyen rund 45.000 Menschen in Seenot gerettet. Da Italien im vergangenen Jahr die Einfahrt von Booten mit Flüchtlingen in seine Häfen blockierte, wurde Frontex zurückgezogen. Außenminister Jean Asselborn (Luxemburg) will es wiederbeleben. Österreichs Chefdiplomat Alexander Schallenberg sieht die Einigung als "erste positive Nachricht" seit langem, sprach sich aber gegen eine Wiederaufnahme der Mission "Sophia" aus. (Michael Vosatka, Thomas Mayer, 20.1.2020)