Am Landesgericht Feldkirch startete am Montag der Prozess um den im Februar 2019 erstochenen Amtsleiter.

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Feldkirch – Unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen und enormem Medieninteresse hat am Montag am Landesgericht Feldkirch der Mordprozess gegen den Asylwerber Söner Ö. begonnen. Der Angeklagte hat vor einem Jahr den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn erstochen. Nun müssen die Geschworenen die Tat des 35-Jährigen bewerten.

Der Angeklagte hat sich zum Vorwurf des Mordes nicht schuldig bekannt. Der 35-Jährige betonte bei seiner Befragung, er habe den Sozialamtsleiter nicht töten wollen: "Es war nie meine Absicht." Er sei schuldig der absichtlich schweren Körperverletzung mit Todesfolge. Der Opferfamilie sprach der Angeklagte sein Beileid aus.

Söner Ö. vor dem Landesgericht Feldkirch.
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Opfer und Täter hatten lange Vorgeschichte

Der 35-Jährige gab an, er habe lediglich "von Mensch zu Mensch" mit dem Sozialamtsleiter sprechen wollen. Dieser habe bei seinem Erscheinen kurz nach 15 Uhr aber gleich zu ihm "Du Arschloch, bist du schon wieder da?" gesagt. Daraufhin habe er ein Blackout gehabt. Er habe das Küchenmesser aus dem Hosenbund gezogen und sei auf den am Tisch sitzenden Sozialamtsleiter zugerannt.

Ö. betonte, er habe dem Mann lediglich in die Schulter stechen wollen. Der Sozialamtsleiter sei aber aufgestanden. Deshalb habe er ihn auf Brusthöhe erwischt, obwohl er das Messer noch gesenkt habe. "Wenn ich ihn hätte töten wollen, hätte ich es so gemacht, dass es niemand erfahren hätte", stellte der Angeklagte mit Verweis auf seine Kampferfahrung fest.

Ö. sagte weiters aus, dass er aus Furcht vor Repressalien des türkischen Staats stets ein Messer bei sich trage und sich nicht extra eines besorgt habe. Er zeichnete das oftmalige Aufeinandertreffen mit dem Sozialamtsleiter nach, mit dem er das erste Mal im Alter von zwölf Jahren in Konflikt geraten war. Als er im Jänner 2019 zum ersten Mal wegen Leistungen aus der Grundversorgung bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vorstellig wurde, habe der Sozialamtsleiter es abgelehnt, ihm die Hand zu schütteln. Er habe ihn bei allen seinen nachfolgenden Besuchen angeschrien und sich nie Zeit für ihn genommen. Drei Wochen lang sei er nur "hin und her" geschickt worden. Einmal habe ihn der Sozialamtsleiter auch angeschrien, weil er ihn geduzt habe. "Das ist doch keine Erniedrigung. Es ist erniedrigend, wenn man angeschrien wird", so Ö.

Fall löste Debatte über Sicherungshaft aus

Am 5. Februar sei sein Antrag bewilligt worden, "aber das hat man mir nicht gesagt", so Ö. Ansonsten wäre es nicht zu der Tötung gekommen. Das solle aber keine Rechtfertigung sein, fügte Ö. hinzu. Als ihn der Sozialamtsleiter am Tattag, dem 6. Februar 2019, zum wiederholten Male weggeschickt hat, habe er sich zwei Bier gekauft und sich anschließend aus Verzweiflung umbringen wollen: "Ich konnte es aber nicht."

Schließlich habe er sich entschlossen, den Sozialamtsleiter noch einmal aufzusuchen, um mit ihm das Gespräch zu suchen. Nach dem ersten Messerstich sei das Opfer einige Sekunden später nach rechts gekippt. Da er sich bei dem Stich selbst an der Hand verletzt hatte, führte der Angeklagte die weiteren Stiche mit der linken Hand aus. Es sollten "Schmerzstiche" in die Arme sein, behauptete der Angeklagte. Deshalb seien diese Stiche auch nicht tiefer als zwei bis drei Zentimeter gegangen.

Täter kannte Opfer

Der 1985 in Vorarlberg geborene und in Lustenau aufgewachsene Sohn einer türkischen Familie wurde mit 14 zum ersten Mal straffällig. Bis 2009 häufte er 14 Eigentums- und Drogendelikte an. 2009 wurde er, damals Vater von zwei Kindern, für zehn Jahre des Landes verwiesen. Zuständig für seine Ausweisung war das spätere Opfer. Söner Ö. kam zurück, suchte um Asyl an und wurde, wieder von A., ausgewiesen – "rechtswidrig", wie Ö. sagt. Zudem habe ihm das spätere Opfer mit der Abschiebung seiner Familie gedroht. 2010 musste er erneut, dieses Mal unbefristet, das Land verlassen.

Neun Jahre nach dieser zweiten Ausweisung kam Söner Ö. zurück, suchte wieder um Asyl an. Er habe in Syrien auf kurdischer Seite gekämpft und türkische Soldaten getötet, gab er als Asylgrund an. Es kam zum schriftlichen Disput zwischen dem Innenministerium und Vorarlberger Behörden. Vorarlberg wollte Ö. nicht aufnehmen, musste aber, da er in Vorarlberg Familie hat. Da sich Ö. im Asylverfahren befand, stand ihm Grundversorgung zu, doch man ließ den Amtsbekannten auf das Geld warten. Als er die Grundversorgung auf der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn bei A. einforderte, kam es zur Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang.

Ö., dem Gerichtspsychiater Reinhard Haller eine Persönlichkeitsstörung attestiert, stand bei der Tat unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss, war aber laut Gutachten zurechnungsfähig. Der ehemalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nahm den Fall zum Anlass, um eine präventive Sicherungshaft für Asylwerber zu fordern. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte am Montag erneut an, dass die Sicherungshaft kommen werde – für Personen, die schon ein Gewaltverbrechen begangen haben und eine Drohung aussprechen. Eine Sicherungshaft hätte die Tat verhindert, meinen manche Politiker. Schubhaft wäre ebenso möglich gewesen, sagen Rechtsexperten. (APA, jub, 20.1.2020)