Leila Al-Serori, Journalistin der "Süddeutschen Zeitung", nahm den Ibiza-Preis 2020 entgegen. Nominiert waren auch noch Florian Klenk, "Falter"-Chefredakteur", und Aktivist Marcus Hohenecker für sein Klimademo-Video.

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Wien – Das Ibiza-Video mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus ist am Montag mit einer neu ins Leben gerufenen Auszeichnung, dem "Ibiza-Preis 2020", prämiert worden. Die Ehrung wurde vom Verband Filmregie Österreich und der Rechercheplattform "Dossier" initiiert. Mit ihr sollen jährlich audiovisuelle Beiträge von "herausragender öffentlicher Relevanz" ausgezeichnet werden. Entgegengenommen wurde der Preis von Leila Al-Serori, Journalistin der "Süddeutschen Zeitung", deren Investigativteam das Video zugespielt bekommen hat.

Es gehe nicht hauptsächlich darum, einen Preis zu vergeben, sondern darum, den "Blick für Schieflagen und Ungerechtigkeiten" zu schärfen, betonte Elisabeth Scharang, Obfrau des Verbands Filmregie und Juryvorsitzende, bei der Preisverleihung in einem Wiener Gasthaus. Mit dieser zivilgesellschaftlichen Initiative möchte der Verband den "Finger in die Korruption und andere Wunden legen".

Auf Missstände aufmerksam machen

Mit der Auszeichnung sollen Videos gewürdigt werden, die "einen Beitrag zum demokratiepolitischen Diskurs leisten, idealerweise auf Missstände aufmerksam machen und den ein oder anderen Skandal aufdecken", erklärte Ashwien Sankholkar von "Dossier". Der Preis sei ein "Akt gegen das Vergessen", sagte Sankholkar, und erinnerte daran, wie schnell Videos in Vergessenheit gerieten. Als Beispiele nannte er das Gertrude-Video aus dem Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016, als eine Auschwitzüberlebende vor dem Erstarken des Rechtspopulismus gewarnt hatte, sowie das Ernst-Strasser-Video, das den damaligen ÖVP-Politiker überführte und ins Gefängnis brachte.

Erster Preisträger und Namensgeber der Auszeichnung ist die siebenminütige Videoaufnahme aus Ibiza mit dem früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, die aus einer Shortlist von fünf Beiträgen zum Sieger gekürt wurde. Nominiert waren unter anderem auch das vom "Falter" veröffentlichte Video zur "Schredder-Affäre", das die Zerstörung von Festplatten des Bundeskanzleramts zum Gegenstand hat, oder das von Marcus Hohenecker via Twitter verbreitete Video über Polizeigewalt bei einer Klimademo vor der Wiener Urania im Mai des vergangenen Jahres.

"Dynamik und die Nachhaltigkeit"

"Maßgeblich für die Entscheidung waren die Dynamik und die Nachhaltigkeit, die die Werke auslösten. Das Ibiza-Video hat außergewöhnlich wirkmächtig abgebildet und enthüllt, welche Absichten, Vorhaben und Hintergedanken sich bisweilen hinter öffentlicher Inszenierung, Marketing und Message-Control verbergen", heißt es in der Jury-Begründung. Der Jury gehörten Fabian Lang, Ashwien Sankholkar und Sahel Zarinfard für "Dossier" sowie Veronika Franz, Franz Novotny und Elisabeth Scharang für den Verband Filmregie an.

"Ohne dem Video hätten wir gar keine Geschichte gehabt", sagte Al-Serori, die die Auszeichnung stellvertretend für das SZ-Rechercheteam entgegen nahm. Es habe sie überrascht, wie massiv die Auswirkungen des Videos gewesen seien, erzählte sie. Dass nicht nur Strache, sondern die ganze Regierung darüber stürzt, sei etwa nicht vorhersehbar gewesen. Warum nicht das gesamte, mehrstündige Material veröffentlicht wurde, sondern nur ein paar Minuten, erklärte Al-Sesori damit, dass nur jene Passagen gezeigt wurden, die von "größtmöglichem öffentlichen Interesse und die vielleicht auch strafrechtlich relevant sind".

Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus im Ibiza-Video – hier geht es um die "Kronen Zeitung".
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Keine Wahrheit ohne Video

Welche Rolle bei der Aufdeckung von Missständen Social Media spielen, erläuterte Marcus Hohenecker anhand seines Polizei-Videos. Im Rahmen der Klima-Demo habe er drei bis vier Stunden gefilmt, und erst am nächsten Tag bei der Sichtung seines Materials die Prügelszene entdeckt. "Ich habe sie rausgeschnitten und auf Twitter gestellt", so Hohenecker.

So sei der Ball erst ins Rollen gekommen und kurze später wurden bereits die ersten Artikel veröffentlicht: "Das ist sehr schnell gegangen." Die meisten Verfahren – wie etwa das Strafverfahren gegen die Polizisten – laufen noch. Das Landesverwaltungsgericht habe aber schon festgestellt, dass der Polizeieinsatz rechtswidrig war, so Hohenecker: "Ohne das Video wäre die Wahrheit nie ans Licht gekommen."

Das Schredder-Video, das der "Falter" zugespielt bekommen hat, wurde von einer Überwachungskamera aufgenommen, sagte Chefredakteur Florian Klenk, ohne die Urheberschaft konkretisieren zu wollen: "Das unterliegt dem Redaktionsgeheimnis." Material aus Überwachungskameras werde beim Aufdecken von Missständen immer wichtiger, so Klenk: "Und die stillen Helden stellen uns die Videos dann zur Verfügung".

FALTER

Initiiert wurde die Auszeichnung von Filmregisseur Franz Novotny, der auch die Trophäe, eine Bronzeskulptur, die ein "Auge der Wahrheit" darstellt, gestaltet hat. Preisgeld gibt es keines. Der Preis soll jedenfalls einen fixen Platz im Kampf gegen Korruption und Missständen bekommen, betonte Filmemacherin und Initiatorin Elisabeth Scharang. Im Dreieck zwischen Kunst, Film und Journalismus. (APA, omark, 20.1.2020)