Seit Ende April 2018 darf am Praterstern kein Alkohol mehr getrunken werden.

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Als die Stadt Wien Ende April 2018 das Alkoholverbot auf dem Praterstern bekanntmachte, waren viele überrascht. Zu den Kritikern gehörten damals auch die Grünen. Als Juniorpartner der SPÖ in der Stadtregierung nannten sie die Entscheidung von Michael Ludwig (damals noch nicht offiziell im Bürgermeisteramt) eine "populistische Scheinlösung", mit der man den sachlichen Weg verlassen würde. Auch Wissenschafter sparten nicht mit Kritik. Trotzdem trat die Maßnahme nur eine Woche nach Ankündigung in Kraft.

Zeitgleich erklärte Ludwig damals, das Alkoholverbot evaluieren zu lassen. Damit werde man über eine Ausdehnung auf andere Orte oder ein Auslaufen der Maßnahme entscheiden können. Am 2. Juli vergangenen Jahres präsentierte die Stadt ebendiese Evaluierungen und legte Presseunterlagen vor: Drei von vier Frauen würden sich durch das Alkoholverbot sicherer fühlen, allgemein hätte sich laut Umfrage bei fast 68 Prozent der 2560 Befragten das Sicherheitsempfinden verbessert.

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Die vollständige Evaluierung blieb der Öffentlichkeit verwehrt, dem STANDARD liegt sie jetzt vor – und ein Vergleich mit den Presseunterlagen zeigt: Die darin enthaltene Umfrage wurde in der veröffentlichten Version frisiert, offenbar um das Ergebnis besser erscheinen zu lassen.

Sicherheitsgefühl am Praterstern

Die Evaluierung besteht aus einem qualitativen Teil von Team Focus, einem Forschungsteam des Fonds Soziales Wien (FSW), und einer Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut Omnitrend im Auftrag der Wiener Linien. Zwei der gestellten Fragen haben es in die Evaluierung geschafft. Eine zum subjektiven Sicherheitsempfinden auf dem Praterstern allgemein und eine dazu, ob sich das Sicherheitsgefühl seit der Einführung der Maßnahme gesteigert habe.

Wichtig sind die Ergebnisse der Letzteren. 0,1 Prozent beklagten eine Verschlechterung, 51,1 Prozent sagten, ihr Empfinden hätte sich etwas oder sehr verbessert, 24,2 Prozent verneinten die Frage – und 24,6 Prozent antworteten mit "Weiß nicht".

"Weiß nicht" weggelassen

Dieser Wert der Unentschlossenen ist von Interesse. Denn er wurde von den 2560 Befragten abgezogen, was zu einer neuen Grundmenge von 1911 Befragten führte. Aus diesem neuen Pool stammen die drei von vier Frauen und der Wert von 67,8 Prozent der Befragten, deren Sicherheitsempfinden sich seit dem Alkoholverbot gesteigert haben soll. Die Presseunterlagen beziehen die Prozentzahlen aber auf die ursprünglich befragten 2560 Personen – zumindest geht das aus den veröffentlichten Unterlagen hervor.

Um repräsentativ zu sein, habe man laut der Magistratsdirektion Wien dann auf einer anderen Seite in Klammern angemerkt, dass man alle "Weiß nicht" weggelassen habe, "um jene Stimmen klarer zu hören, die sich positiv oder negativ ausgesprochen haben". Dass diese "Weiß nicht" ein ganzes Viertel der Befragten ausgemacht haben, bleibt unerwähnt. Konkret schönt der Bericht den tatsächlichen Wert damit um 16,7 Prozentpunkte.

Andrea Leitner, Pressesprecherin der Magistratsdirektion, rechtfertigt das Vorgehen: "Es ging darum, die konkreten Meinungen als Handlungsanleitung zu nehmen, die Kernaussage der Umfrage hat sich nicht verändert." Auch Reinhard Krennhuber aus dem Büro des Sozialstadtrats Peter Hacker (SPÖ) sieht kein Problem.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sagte am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag darauf angesprochen, er könne die Debatte nicht nachvollziehen. Die Sache sei "sehr transparent" ausgewiesen worden. Und in beiden Auswertungsvarianten gebe es sowieso eine Mehrheit. Wobei der Stadtchef dann aufhorchen ließ: "Aber ich sage ganz offen: Selbst wenn keine Mehrheit dafür gewesen wäre bei der Befragung, wäre ich dafür gewesen, diese Maßnahme zu setzen."

Außerdem sei die betreffende Befragung nur ein Aspekt im Entscheidungsprozess gewesen. Man habe sich auch ein Meinungsbild von der Polizei, den Sicherheitsdiensten von ÖBB und Wiener Linien sowie von Sozialeinrichtungen eingeholt, betonte der Bürgermeister.

"Feine Optik ist das nicht"

Forschung und Sozialarbeit empfinden das anders. "Durch die Streichung der ‚Weiß nicht‘-Nennungen entsteht das Bild, dass es politisch opportuner erscheint, wenn von 68 Prozent Zustimmung gesprochen werden kann statt von 50 Prozent", sagt Christoph Stoik, Lehrender im Studiengang Soziale Arbeit der FH Wien. "Eine ganz feine Optik ist das nicht." Egal, ob Personen die Maßnahmen kennen würden oder nicht, könne das Antwortverhalten "weiß nicht" auch so gedeutet werden, dass diese Maßnahme sich auf das Sicherheitsempfinden nicht auswirke. Außerdem müssten öffentlich finanzierte Evaluierung zu politischen Entscheidungen auch öffentlich zugänglich sein.

Axel Magnus, Betriebsratsvorsitzender der Sucht- und Drogenkoordination Wien (SDW), bezeichnet die Presseunterlagen als Ergebnis einer "Pseudoevaluierung". (red, Thomas Winkelmüller, 21.1.2020)