Bis heute ist 9/11 eine Wunde.

Foto: Johannes EISELE / AFP

Die Schatten von 9/11 sind noch längst nicht ganz verblasst. Mehr als 18 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sorgt nun die juristische Aufarbeitung der Ereignisse einmal mehr für Aufsehen. Aktuell geht es dabei nicht nur um die Personen, die verdächtigt werden, an der Planung der Attentate beteiligt gewesen zu sein, sondern auch um die Verhörmethoden, die im Zuge der Ermittlungen angewandt wurden.

Wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) vorab berichtete, sollen diese Woche zwei Psychologen vor einem Militärgericht am US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba, wo auch das gleichnamige US-Gefangenenlager untergebracht ist, als Zeugen aussagen. Die beiden Männer, James Mitchell und Bruce Jessen, sollen dabei Fragen zu den sogenannten enhanced interrogation techniques beantworten, also den "verbesserten Befragungstechniken", die sie im Zuge des vom damaligen Präsidenten George W. Bush ausgerufenen "Kriegs gegen den Terror" mitentwickelt haben.

Dazu gehört laut AI unter anderem das berüchtigte Waterboarding, das von der Uno als Folter eingestuft wird. Dabei wird Häftlingen ein Tuch über das Gesicht gelegt und anschließend mit Wasser beschüttet, wodurch die Opfer das Gefühl haben, zu ertrinken. Auch die Anwendung von Methoden wie Schlafentzug oder Einsperren in kleinen Kisten soll auf Empfehlungen von Mitchell und Jessen zurückgehen. Die Vorwürfe beziehen sich auf Praktiken, die in geheimen CIA-Gefängnissen auf der ganzen Welt zum Einsatz gekommen sein sollen.

"Berufsgrundsätze verletzt"

Bei den zwei Zeugen handelt es sich um ehemalige Psychologen der US-Luftwaffe. Wie die britische Zeitung The Guardian schrieb, sollen sie 2002 beauftragt worden seien, die Programme mit neuen Verhörtechniken zu entwickeln. Drei Jahre später gründeten sie demnach eine Privatfirma, die auch entsprechendes Personal zur Verfügung stellte. Bereits vor ihrer Befragung haben beide erklärt, nichts Falsches getan zu haben. Sie seien lediglich beauftragt worden, Dinge zu tun, die aus Sicht des Weißen Hauses legal waren. Die American Psychology Association sieht das anders: Mitchell und Jessen hätten "die ethischen Grundsätze ihres Berufs verletzt".

Die Anwälte der fünf Beklagten hoffen nun darauf, dass Aussagen ihrer Mandanten, die nach Anwendung der kritisierten Methoden zustande gekommen sind, vor dem Militärtribunal nicht berücksichtigt werden. Julia Hall, AI-Expertin für Antiterrorkampf, darf bei dem Verfahren anwesend sein. Die Tätigkeit der beiden Psychologen bezeichnete sie im Vorfeld als "Rückschlag für den globalen Kampf gegen Folter".

Bei den Anschlägen mit Flugzeugen auf das Pentagon in Washington und das World Trade Center in New York wurden im September 2001 knapp 3000 Menschen getötet. Den fünf Angeklagten, die der Mitverschwörung beschuldigt werden, droht die Todesstrafe. (Gerald Schubert, 20.1.2020)