Medikamente und chirurgische Eingriffe werden vor allem an Männern erprobt. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sollten aber in klinischen Studien stärker berücksichtigt werden, fordern Wissenschafter.

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Bei einigen Erkrankungen reagiert der Organismus von Frauen anders als jener von Männern. "Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es ausgeprägte Unterschiede zwischen den Geschlechtern", sagt Georgios Kararigas vom Deutschen Herzforschungszentrum, der an der Charité Berlin eine Studie zum Thema durchgeführt hat. So konnte etwa gezeigt werden, dass die Aortenklappenstenose – einer der häufigsten Herzklappenfehler – bei männlichen Patienten schlechter verläuft als bei weiblichen.

Eine verengte Herzklappe ruft sowohl bei Männern als auch bei Frauen ein ungesundes übermäßiges Herzwachstum hervor, die sogenannte Hypertrophie. Sie beeinträchtigt die Herzfunktion und kann schlimmstenfalls zu einer Herzschwäche führen. Bei Männern laufen dieses Wachstum und die damit verbundenen Umbauprozesse jedoch ungünstiger ab als bei Frauen. "Es gibt hier ein ungelöstes klinisches Problem, dessen molekulare Ursachen wir erforscht haben", sagt Kararigas.

Der Forscher und sein Team konnten in einer Studie erstmals nachweisen, dass in Herzmuskelzellen von männlichen Patienten mit einer Aortenklappestenose andere Gene aktiv sind als bei erkrankten Frauen. Dabei handelte es sich um Gene, die mit krankhaften Umbauprozessen im Herz verknüpft sind. Ebenso auffällig anders reguliert waren zwei Gene, die für Entzündungsfaktoren codieren. "Das ist neu, denn bisher war wenig darüber bekannt, dass entzündliche Vorgänge für die Herzfunktion von Patienten mit Aortenklappenstenose bedeutend sein könnten", erklärt Kararigas.

Zu wenig Frauen in klinischen Studien

Für ihre Pilotstudie analysierten die Forscher die Genexpression in einzelnen Herzmuskelzellen. Die analysierten Zellen stammen aus Herz-Biopsien von 17 weiblichen und 17 männlichen Patienten, die eine Ersatz-Herzklappe erhielten. Demnach hatten jene Patienten, in deren Proben die Entzündungsgene aktiver waren, auch eine schlechtere Herzfunktion. Dabei handelte es sich immer um Männer.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Umbauprozesse in weiblichen und männlichen Herzen über andere Mechanismen ablaufen. "Unser bisheriges Wissen über die Mechanismen bei Herzkrankheiten basiert auf Studien, an denen überwiegend männliche Patienten teilgenommen haben. Wir fragen uns jetzt, inwieweit diese Ergebnisse tatsächlich auch für Frauen relevant sind, da in ihren Herzen scheinbar ganz andere Prozesse aktiv sind", betont Kararigas.

Neben den biologischen Unterschieden durch Geschlechtshormone und -chromosomen, gibt es auch soziokulturelle Einflüsse. All diese Faktoren zusammen bewirken, dass manche Krankheiten je nach Geschlecht unterschiedlich verlaufen. Kararigas wünscht sich, dass diese Unterschiede in klinischen Studien stärker berücksichtigt werden, damit Männer und Frauen optimal medizinisch versorgt werden können. (red, 22.1.2020)