Postbote Leopold sucht seit Jugendtagen nach der richtigen Frau.

Foto: ATV

Eine Kandidatin möchte beim Sex "keinen Ball im Mund" haben und will sich beim Liebesspiel schon gar kein Zauberwort merken, "denn das vergesse ich wahrscheinlich", und ein anderer Kandidat sagt, seine Zukünftige sollte nicht wie ein Foto gezeichnet sein, "die gehört Ihnen dann nicht allein". Mit am Tisch sitzt die Mutter, die sich für ihren Sohn nur eines wünscht: "eine Frau, die genauso spinnert ist wie er." Spinnert heißt für sie "extravagant". Willkommen bei "Alles Liebe" – der neuen Kuppelshow auf ATV.

Der Privatsender holt ab Mittwoch um 21.30 Uhr pro Folge jeweils zwei Frauen und Männer vor den Vorhang. Aber nicht, um sie bloßzustellen, sondern um sie an den Mann oder die Frau zu bringen. Das ist ein schmaler Grat. Was der ORF mit Elizabeth T. Spiras Kultsendung "Liebesg'schichten und Heiratssachen" jahrelang mit fulminanten Quoten vorexerziert hat, dürfte nun auch ATV inspiriert haben, denn die Ähnlichkeiten sind nicht zu übersehen: Filmen in der Wohnung, Dekozeugs im Vorder- und Schlagermusik im Hintergrund.

Partnersuche mit Augenzwinkern

Der Vergleich mit der im März 2019 verstorbenen Elizabeth T. Spira ehre ihn zwar, die Sendung sei aber "keine Spira-Kopie", sagt Produzent Andreas Mannsberger: "Jeder hat seinen eigenen Stil." "Alles Liebe" dreht Mannsberger mit seiner Firma Mabon Film. Der langjährige Regisseur und Fernsehmacher verweist im Gespräch mit dem STANDARD auf ähnliche Kuppelsendungen aus Schweden oder England, die es bereits vor Spira gegeben hat. "Wenn ich Menschen auf Partnersuche zeige und ein Augenzwinkern dabei ist, erinnert das natürlich an gewisse Formate."

Produzent Andreas Mannsberger.
Foto: Privat

Ähnlich wie das Spira einst vor allem mit ihren "Alltagsgschichten" gemacht hat, schreckt auch Mannsberger vor keinen Tabus zurück: "Sie beginnen nur dort, wo Kinder in Mitleidenschaft gezogen werden." Oder dort, wo das Strafrecht tangiert wird. Die Gesellschaft sei ohnehin schon so tabubehaftet, kritisiert er: "Man soll zeigen, wie die Leute denken. Bei gesellschaftlichen oder politischen Einstellungen der Kandidaten sehe ich mich nicht als Richter, der das begrenzt." Dementsprechend geht auch ein rassistischer Sager auf Sendung: "Das sagt man heute nicht mehr, aber man sieht, dass die Leute noch so sprechen. Und dann soll man es auch zeigen."

Vorerst fünf Folgen – je nach Quote mehr

Vorerst sind fünf Ausgaben von "Alles Liebe" geplant. Die ersten zwei sendet ATV am 22. und 29. Jänner um 21.30 Uhr unmittelbar nach dem Zugpferd "Bauer sucht Frau". Keine schlechten Voraussetzungen also, wenn es um die Quote geht. Und um die geht es: Die Fortsetzung hängt von den Zuseherzahlen ab. Das ist einfache TV-Arithmetik, das weiß auch Mannsberger, ist er doch seit über 20 Jahren im TV-Geschäft. Zuerst 14 Jahre lang als Regisseur, Autor und Produzent und seit dem Jahr 2009 als Gründer der Produktionsfirma Mabon Film. Von seinem Firmensitz in Wien-Liesing aus orchestriert er sein Team und produziert selbst am laufenden Band. Und zwar gleich für drei Sender: ATV, Servus TV und den ORF.

Für den ORF dreht Mannsberger Reportagen für die "Am Schauplatz"-Reihe, zuletzt etwa "Die Chinesen und das Rotlicht", "Leben im Abbruchhaus" oder "Wohin mit denen, die keiner will". Hier schätzt er vor allem den journalistischen Anspruch und die tolle Redaktion: "'Am Schauplatz' ist die letzte Bastion im ORF, die intelligente, tiefgreifende Reportagen bringt. Bei Servus TV steht die Natur mehr im Fokus, bei ATV ist es die Dynamik."

"Das Geschäft mit der Liebe" geht weiter

Aus Mannsbergers Schmiede stammen ATV-Sendungen wie "Einsatz live", "Finanzpolizei", "Nacktes Österreich", "Wachzimmer Ottakring", aber auch das umstrittene "Das Geschäft mit der Liebe". Apropos: Die Frauensuche im Osten geht weiter, erzählt Mannsberger. Die neuen Folgen sind ab März avisiert: "Nach der Übernahme durch die ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe wollte man das Format nicht mehr machen, es gibt aber so viele Zuseheranfragen, die sich für das Schicksal von Robert Nissel interessieren." Der selbsternannte "Lovecoach" hat zwar eine Frau gefunden, er bleibt aber der eigentliche Star der Sendung. In der neuen Staffel stehen Nissels finanzielle Probleme im Fokus. Harte Zeiten für den "Lovecoach".

Mannsberger verteidigt "Das Geschäft mit der Liebe", auch wenn er sich von den Protagonisten der Sendung und ihren Ansichten distanziert: "Die Männer haben teilweise ein Frauenbild, das steinzeitlich ist." Und dennoch: "Das ist die Realität. Nichts ist gestellt." Warum solle man der Gesellschaft nicht einen Spiegel vorhalten? Von solchen Milieustudien wünscht er sich viel mehr, aber: "Es ist eine gewisse Arroganz bei Sendungsverantwortlichen entstanden. Sie sind nicht mehr draußen in der Gesellschaft."

Lebensrealitäten zeigen

"Draußen in der Gesellschaft" lauern die Geschichten, die erzählt gehören, sagt Mannsberger: "Früher haben diese Milieuerzähler mit den Leuten gelebt, egal ob auf der Straße, im Wald oder beim Begleiten eines Politikers." Heute dominiere die Angst, an Tabus zu rütteln und sich Experimenten zu öffnen: "Es sind Lebensrealitäten, egal ob das ein Vorstadtpolitiker ist oder eine Frau, die am Förderband arbeitet, oder ein Skilehrer, der Alkoholiker ist und nicht mehr weiß, wie er damit zurechtkommt."

Schuld an der Misere seien fehlender Mut und schlechte Programmplanung: "Bei gewissen Sendern wird eine schöne heile Welt erzählt, bei anderen je nachdem, wie es politisch erzählt werden soll, und woanders wird in erster Linie Unterhaltung gemacht."

Den Blick geschärft

Zu den Protagonisten seiner Sendungen komme er dank seiner jahrelangen Erfahrung, sagt Mannsberger: "Du kommst in ein Lokal mit 100 Gästen. Ich muss in den ersten zehn Minuten erkennen, wo die zwei, drei Interessantesten sind, mit denen ich das Gespräch beginne." Begegne man Menschen auf Augenhöhe, werde man auch etwas erfahren: "Man muss versuchen, alle Sprachen zu sprechen, und den Menschen, egal von wo er kommt und was er macht, mit einem gewissen Respekt entgegentreten."

Was ihn nervt, ist Arroganz: "Ich habe keine Skrupel, das zu zeigen. Vielleicht ist meine Rolle auch manchmal die eines anarchischen Kasperls, der den Menschen Grenzen aufzeigt, wenn sie sich zu viel herausnehmen." (Oliver Mark, 22.1.2020)