Als der Bürgermeister von Skopje, Koce Trajanovski, 2010 das ambitionierte Projekt "Skopje 2014" zur Umgestaltung der Hauptstadt Mazedoniens präsentierte, glaubte außer dem Drahtzieher, dem damaligen Premierminister Nikola Gruevski, kaum jemand, dass dieses Projekt jemals umgesetzt werden würde. In weniger als fünf Jahren wurden jedoch über 25 neoklassische und barocke Bauwerke sowie 150 Skulpturen und Denkmäler errichtet. Die Gesamtkosten machten 600 Millionen Euro statt der ursprünglich geplanten 80 Millionen aus – bezahlt aus öffentlichen Steuergeldern –, doch trotz der enormen Kosten und gelegentlichen Proteste konnte dieser Umgestaltungsprozess durch die nationalkonservative VMRO-DPMNE-Regierung unter Gruevski weitgehend abgeschlossen werden.

Gruevski hatte schon früher verkündet, dass Skopje eine echte Metropole werden soll, wie alle anderen Metropolen in Europa auch. Dank geleakter Telefonmitschnitte weiß man heute, dass sich Gruevski damals von der Architektur in Rom, Paris und Wien inspirieren ließ und dass Skopje seinen Wünschen nach diesen Metropolen ebenbürtig werden sollte. Zwar wurde im Zuge dessen der Begriff Europäisierung benutzt, um den Umbau zu legitimieren, doch "Skopje 2014" diente der damaligen Regierung primär dazu, ihren autoritären Kurs zu intensivieren.

Eine Reihe von neuen neoklassischen Gebäuden im Zentrum der Stadt.
Foto: Branimir Staletović

Modern und national

Das Narrativ der Europäisierung ist am Balkan jedoch nichts Neues. Architektur ist schließlich nur eine von vielen Formen, durch die sich das Konzept Europa in der Region manifestiert. Doch wegen ihrer physisch mächtigen Erscheinung hat sie eine besondere historische und soziale Bedeutung. Modernisierung und Europäisierung waren ansonsten stets eng miteinander verbunden und wurden oft dazu genutzt und missbraucht, eine "moderne" oder "nationale" Kultur zu bewerben und den Bruch mit der alten osmanischen Architektur zu rechtfertigen. Historisch sehen sowohl Liberale als auch Konservative das osmanische kulturelle Erbe als Gegenpol zu modernen, europäischen und zivilisatorischen Projekten.

Wie der Soziologe Rogers Brubaker analysierte, schließen sich Nationalismus, Europäismus und Zivilisationismus nicht gegenseitig aus, und diese ideologische Interaktion ist keineswegs nur am Balkan zu finden. Dieser "Ideologie-Mix" hat seine historischen Wurzeln sogar in Westeuropa, dort hat er aber erst kürzlich die äußersten Ränder des politischen Spektrums verlassen, indem nationalistische mit "zivilisatorischer Sprache" kombiniert wurde. Europas extreme Rechte nahmen das zivilisatorische Narrativ im Laufe des Jahrzehnts auf, um die Ängste vor der muslimischen Kultur in Europa zu schüren.

Der Diskurs über die Europäisierung Skopjes ist also an sich keine ideologische Neuheit, auch wenn der Kontext, in dem er erscheint – die Kombination aus demokratischen und nationalistisch-autoritären Elementen – "Skopje 2014" von seinen Vorgängern und ähnlichen Projekten am Balkan und anderswo unterscheidet.

Der Triumphbogen, genannt "Porta Makedonija".
Foto: Branimir Staletović

Europa als Fassade

Während die Umgestaltung der Stadt als europäischer Akt gefeiert wurde, nutzte die konservative Regierung ihre Machtposition, um mit der architektonischen Tradition zu brechen und die demokratische Praxis zu untergraben. "Skopje 2014" ist deshalb zum Großteil als selbstherrliches Projekt zu sehen, das das politische und ideologische Vermächtnis Nikola Gruevskis verkörpert. Die Umgestaltung wurde praktisch aus dem Nichts angekündigt und ohne die breite Zustimmung von Expertinnen und Experten wie auch der Bevölkerung realisiert, obwohl alles mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Gruevski daher eine Schlüsselrolle innehatte – nicht nur bei der Einführung des Projekts, sondern auch bei der Neugestaltung der Stadt: "Ich stehe hinter 'Skopje 2014', denn jetzt ist die Zeit und Gelegenheit, endlich das zu tun, was wir schon vor vielen Jahren hätten tun sollen", behauptete er.

Von einem ideologischen Standpunkt aus betrachtet, liegt der Schwerpunkt dieses Projekts auf dem Antikommunismus und Ethno-Mazedonismus, vorwiegend den glorreichen Zeiten Alexander des Großen und seinem Vermächtnis. Indem man das antike Königreich Makedonien als ideologische Ressource verwendete, stattete man das Projekt mit einer "zivilisatorischen" Färbung aus – "Willkommen in Mazedonien, der Wiege der Zivilisation" –, hieß es in einer SMS, die man nach Überqueren der Grenze erhielt.

Innerhalb dieses zivilisatorischen Paradigmas wurde Skopjes osmanisches Viertel mit seiner Architektur nicht beachtet, denn es wird als kulturelles Eigentum von Albanern und Muslimen gesehen. Sie machen zwar circa 25 Prozent der Stadtbevölkerung von Skopje aus, werden als soziale Kategorien in der dominanten christlichen Kulturnation jedoch nicht berücksichtigt und stehen somit auch in der kulturellen und architektonischen Hierarchie hintenan. Stattdessen erfand man eine neue Tradition und bewarb sie als Teil einer größeren europäischen Zivilisation. Weiters wurden moderne Bauten, umgangssprachlich als sogenannte "Kommunistenbauten" bekannt, in einem eklektisch-neoklassischen Stil erneuert, wodurch man den "finalen" Bruch mit der "kommunistischen" Tradition der Stadt einläutete.

Die Statue von Alexander dem Großen.
Foto: Branimir Staletović

Macht und noch mehr Macht

Das Projekt verfolgte schließlich sein eigenes praktisches Ziel. Der illiberale Charakter von "Skopje 2014" ermöglichte es der Regierung, informelle Macht über die intellektuelle Elite und Wirtschaft sowie über einen Teil der NGOs, die das Projekt öffentlich unterstützt hatten, zu erlangen. Hinzu kommt, dass das Projekt Gruevski ermöglichte, symbolischer Gestalter in einem Land beziehungsweise einer Stadt zu werden, die nur selten Zeuge derartiger Projekte und Narrative wurde. Nach vielen gescheiterten Versuchen seit der Unabhängigkeit 1991, den Stadtkern Skopjes zu erneuern, ist es nun Gruevski, der die Urheberschaft für das neue Skopje beansprucht.

Abgesehen davon wurde das Europäisierungsnarrativ nicht nur dazu genutzt, das urbane Vorhaben zu legitimieren, sondern auch gleich die gesamte Regierung. Gleichzeitig wurde mit dieser "Europäisierung" der Stadt, im Zuge derer demokratische Institutionen abgeschafft wurden und Korruption und die extensive Überwachung der Bevölkerung, politischer Anhänger sowie Gegner und Journalisten zunahm, der Weg in die EU-Mitgliedschaft untergraben. Dieser "Widerspruch" sollte nicht irritieren, denn historisch gesehen ist Europäismus am Balkan nicht ausschließlich an die EU-Mitgliedschaft gekoppelt. Im Fall von Skopje und Nordmazedonien wurde die Sprache der Europäisierung jedoch dazu benutzt, das halbautoritäre Regime zu festigen, das gerade dabei war, sein fünftes aufeinanderfolgendes Regierungsmandat zu erlangen.

Das Vermächtnis von "Skopje 2014" wird an eine Zeit erinnern, die von Spannungen und wachsendem Autoritarismus geprägt war und glücklicherweise nicht in einem gewaltsamen Konflikt endete. Nachdem Gruevski 2016 die Macht verloren hatte, kamen verschiedene Ideen auf, wie man mit Spuren des Projektes umgehen sollte. Einige schlugen vor, diese damals entstandenen Monumente zu zerstören beziehungsweise an einem neuen Ort, ab vom Zentrum, neu aufzustellen. Jedoch ist der ausgrenzende monoethnische Charakter dieses Projekts präsent, und die Polarisierung zwischen den albanischen und mazedonischen "Gemeinschaften" wird weiterhin vorangetrieben. (Branimir Staletović, 23.1.2020)