2018 hat die "Theodora" dem erst vor zehn Jahren gegründeten Ensemble bei den BBC Proms einen Triumph beschert.

Foto: Chris Christodoulou

Die Resonanzen thematisieren heuer an neun Festivaltagen die biblischen zehn Gebote. Der Eröffnungsabend war ordnungsgemäß dem Verbot anderweitiger Anbetungsobjekte neben dem einen, einzigen christlichen Gott gewidmet. Aus englischen Landen wurde die Kling- und Singgemeinschaft Arcangelo geladen, mit Händels Theodora von der Gottesfurcht einer Christin aus Antiochia zu erzählen, die lieber in den Tod geht, als dem römischen Göttersammelsurium zu huldigen. Das erste Gebot aller Festivals, Konzerte und sogar der neuzeitlichen, handgroßen Wisch-und-weg-Welten lautet ja: Du sollst nicht langweilen. Das befolgten die Erzengel unter der quicken, behänden Leitung von Jonathan Cohen: Man musizierte stets formvollendet, aber nie fad.

Wie ein englischer Garten

Die von den Musikern dargestellten melodischen Strömungslinien und harmonischen Hebungen und Senkungen glichen den Landschaftsszenerien eines englischen Gartens: Sie erweckten mit kunstvollsten Mitteln den Eindruck größter Natürlichkeit. Melodien flossen aus den Mündern der Sänger so selbstverständlich und labend wie frisches Wasser aus einer Quelle, um dann durch artistische Verlaufsformen zu entzücken. Händels 1750 uraufgeführtes Oratorium ist ein Werk der leisen Töne und der bedächtigen Tempi, ein Hohelied der Demut und Zurücknahme. Cohen und die Seinen zeichneten das Spätwerk in beseelter, detailgenauer Weise nach, mit feinem Pinselstrich und in zarten Pastellfarben. 2018 hat Theodora dem erst vor zehn Jahren gegründeten Ensemble bei den BBC Proms einen Triumph beschert – diese Erfahrung mit dem Werk merkte man der hochklassigen Aufführung an.

Edelste Intensität

Gekrönt wurde diese auch solistisch: Neal Davies zeichnete (anstelle von Brindley Sherratt) die Machtlust des Befehlshabers Valens mit seinem klar profilierten Bass nach, Jeremy Ovenden lieh dem Offizier Septimius seinen beweglichen Tenor. Anna Stéphany war als Theodoras Glaubensgenossin Irene mit ihrem mahagonifarbenen Mezzo ganz Demut und Schlichtheit. Countertenor Tim Mead ließ sich an Theodoras Stelle einsperren und wurde dafür mit einem intimen, und doch keuschen Duett belohnt. Und Louise Alder durchlebte das Martyrium der Titelheldin mit edelster Intensität. Sie ging fast glücklich in den Tod: ungeschändet und Gott sei Dank in einem "proper dress", einem passenden Kleid. Eine Resonanzen-Eröffnung der Extraklasse. (sten, 21.1.2020)