Michael Volle treibt als Jochanaan Salome (Lise Lindstrom) zur Raserei.

Foto: Pöhn

Der Opernalltag versprüht mitunter stressigen Charme. Ist ein Dirigent etwa umtriebig unterwegs und im Kriegszustand mit der Pünktlichkeit, so wie etwa Valery Gergiev, müssen Vorstellungen etwas später beginnen, oder der Direktor ersetzt den Star kurzfristig, wie unlängst an der Staatsoper bei Lohengrin. Auch abseits solch spezieller Probleme ist Improvisation gefragt, um dem täglich ratternden Betrieb vor Kurzschlüssen zu bewahren.

So hätte die aktuelle Salome-Serie Mikko Franck leiten sollen, für den dann Michael Boder einspringen wollte. Verletzungsbedingt musste allerdings auch dieser absagen, worauf Routinier Dennis Russell Davies am Montag die Köpfung des Jochanaan akustisch betreute. Zwar wird es da und dort gar orgiastisch laut. Zweifellos aber besitzt das "Philharmonische" jene nötige Impulsivität, um die Geschichte einer rätselhaften Besessenheit fiebrig aufzuladen. Zudem erfreut sich die altehrwürdige Inszenierung (von Boleslaw Barlog) in ihrer 242. Aufführung eines tragischen Pärchens, das sich tatsächlich der Gestaltung hingibt. Michael Volle (Bild) ist nicht nur in seiner abweisenden Keuschheit, welche Salome zur Raserei treibt, ein impulsiver Jochanaan. Er verleiht der stolz leidenden Figur auch luxuriöse Töne voller Klarheit.

Lise Lindstrom (Bild) umgarnt den Propheten zwar mit etwas herber Timbrierung. Sie nutzt die Freiräume der Inszenierungsreste jedoch fulminant, um eine Frau zu porträtieren, die zwischen Herablassung, Wut und manipulativem Liebreiz pendelt.

Auch Herwig Pecoraro (als Herodes), Waltraud Meier (als Herodias) und Carlos Osuna (als Narraboth) liefern profunde vokale Ausbrüche, die schließlich zur Niveaustütze der Aufführung werden. (toš, 21.1.20)