Des Pudels Kern ist der Ohrwurm. Zehn solche bietet das neue Album von Wolf Parade: "Thin Mind".

Foto: Pamela Evelyn & Joseph Yarmush

Konzeptalbum ist es keines. Mit einem so bedeutungsschwangeren Begriff will sich die Band Wolf Parade gar nicht das Bein beschweren. Dennoch gibt es ein Thema, das in vielen Songs auftaucht. Es ist das moderne Leben, das, scheint's, vom Smartphone diktiert wird. Bildschirmsklaven mit einem Knick im Nacken sehen wir alle täglich, das ist der für die Orthopäden spannende Teil. Wolf Parade hingegen widmen sich den Auswirkungen auf die Psyche.

Wolf Parade sind eine Band aus Montreal, am Freitag erscheint nach drei Jahren Pause das Album Thin Mind. Es ist das fünfte der 2003 formierten Gruppe. Wolf Parade zählten in den Nullerjahren zur sogenannten kanadische Invasion, die im Windschatten von Arcade Fire und deren Welteroberungsalbum Funeral (2004) losgelassen wurde.

Wolf Parade

Gleichzeitig war es die Zeit des Post-Punk-Revivals, in dem dies- und jenseits des Atlantiks Formationen wie Franz Ferdinand oder The Rapture Altvordere aus den frühen 1980ern als wesentliche Inspirationsquelle für ihre Kunst erkannten. Der Begriff Dance-Rock machte die Runde.

Attraktive Gefühlsschwere

Die Musik war forsch und zackig, mit Disco-Schlagzeug und, im Falle von Wolf Parade, ein wenig übersteuert: Die Stimme von Sänger Spencer Krug erfüllte diese Vorgabe atemlos japsend. Was in der Euphorie eben so passiert. Der Einsatz von Keyboards bändigte die Aufregung und verlieh den Songs eine attraktive Gefühlsschwere.

Nach drei Alben und Verstrickungen in andere Projekte empfahl sich die Band in eine Pause von unbekannter Länge, um 2017 wiederzukehren.

Wieder drei Jahre später wirken Wolf Parade mit sich wohltuend im Reinen. Von Dante DeCaro hat man sich freundschaftlich getrennt, zu dritt bleibt nun nicht so viel Platz für ausufernde Spompanadeln. Dem Umstand hat man sich bereitwillig ergeben: Thin Mind ist ein eingängiges Album im klassischen Zehn-Songs-Format.

Die Aufgabe Ohrwurm

Der Bass versieht die durchgehend im angezogenen Tempo angelegten Songs mit Groove. Krugs Stimme stürzt nicht mehr über jede Silbe wie Cristiano Ronaldo bei einer seiner Schwalben; es scheint sich eine gewisse Abgebrühtheit eingestellt zu haben.

Wolf Parade

Anstatt den Pop-Appeal ihrer Songs gewollt mit Keyboards, Gitarrenriffs oder operettenhafter Hysterie zu sabotieren, arbeiten sich Wolf Parade 2020 beherrscht an der Aufgabe Ohrwurm ab.

In der Tradition von Bands wie XTC (minus deren Beatles-Breitseite) bieten Krug, Dan Boeckner und Arlen Thompson ein kompaktes Werk, das nur noch mit einem Bein in den 1980ern steht. Songs wie Against the Day oder Julia Take Your Man Home umweht längst die Zeitlosigkeit. Man darf das dem Wolfsrudel als Qualitätsmerkmal auslegen. (Karl Fluch, 22.1.2020)