Das Kopftuch in der Schule sorgt weiter für Diskussionen.

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Das kommt heraus, wenn man eine selbstbewusste Lehrerin wie Susanne Wiesinger, die ein Buch über die bedenkliche islamische Alltagskultur in der Schule schreibt und sich bei diesem Thema bereits mit der eigenen Partei (SPÖ) und Gewerkschaft angelegt hat, zur "Ombudsfrau" macht, aber in eine türkise Message-Control einspannen will.

Wiesingers Hauptaussage lautet ja, das Kabinett von Heinz Faßmann hätte sie dazu bringen wollen, den türkisen politischen Spin ("Kampf gegen den politischen Islam und Parallelgesellschaften") zu übernehmen – bis hinein in die Formulierung von Interviewantworten.

Demütigung und Abwertung

Wir kennen das bereits. Die Truppe um Sebastian Kurz ist meisterhaft in Inszenierung und Message-Control. Die Tragödie dabei ist, dass wirkliche Probleme – ja, es gibt einen politischen Islam, ja, es gibt Parallelgesellschaften, ja, es gibt einen muslimischen Konformitätsdruck in manchen Klassen – rein populistisch und ohne ernsthafte Lösungsansätze angegangen werden. Das Kopftuchverbot, zunächst für Volksschülerinnen, dann für unter 14-Jährige, schließlich für Lehrerinnen, ist so ein Beispiel. Ja, es ist nicht wünschenswert, dass es einen Druck zum Kopftuchtragen gibt. Aber auf einer höheren Ebene hat der katholische Theologe und Soziologe Paul Zulehner völlig recht, wenn er (u. a. im STANDARD) konstatiert, dass Verbote dieser Art als Demütigung und Abwertung empfunden werden: "Die durch anhaltende Kränkung namens Migrations- und Integrationspolitik verletzte islamische Gemeinschaft wird so nicht integriert werden. Das Gegenteil wird geschehen." Die Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) ist gegen die Ausweitung des Kopftuchverbots. Das Kopftuch sei an Tirols Schulen erst nach der Einführung des Verbots überhaupt ein Thema geworden.

Die türkise "Islam-Politik" ist von einer einseitigen "Kampf gegen"-Rhetorik gekennzeichnet: Kampf gegen politischen Islam, gegen Parallelgesellschaften. Was geschieht für eine bessere Integration? Schlecht durchdachte Pseudomaßnahmen dominieren. Türkis-Blau hat sieben "radikale" Moscheen geschlossen. Eine Woche später waren sie wieder offen.

So geht das übrigens bei vielen Themen. Der Verfassungsgerichtshof hat wesentliche Leuchtturmthemen von Türkis-Blau gekippt: Kürzung der Mindestsicherung für Kinderreiche, Überwachungspaket. Das groß als Wirtschaftsförderung angekündigte "Standortgesetz", mit dem man Großprojekte gegen Umweltbedenken beschleunigen wollte, ist nicht praktikabel.

Türkis-grüne Inszenierung

Die neue türkis-grüne Regierung hat auch mit Inszenierung begonnen: Besuch im Pflegeheim, Besuch im Polizeiwachzimmer. Sebastian Kurz wird nur noch ganz selten nach dem Ministerrat auftreten, für ihn soll eine eigene "Kanzlerbühne" geschaffen werden. Unbedingt soll die Sicherungshaft durchgedrückt werden. Dafür muss man die Verfassung ändern. Das betrifft eh nur ganz, ganz wenige Fälle, sagt ein grüner Experte. Und dafür hebelt man (mit der FPÖ!) das Prinzip "Keine Haft auf Verdacht" aus?

Demnächst ist Regierungsklausur. Werden wir da erfahren, was jenseits von Inszenierung und Message-Control an Substanziellem geplant ist? hans.rauscher@derStandard.at

(Hans Rauscher, 22.1.2020)