Innenminister Karl Nehammer will Asylzentren in Grenznähe.

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Bei der Sicherungshaft versucht die ÖVP, ein nicht existentes Problem mit dem Ziel einer rechten Stimmenmaximierung zu lösen. Bei den Asylverfahren hingegen gibt es starke Argumente für Reformen. Auch wenn der große Rückstau aus dem Jahr 2015 geschrumpft ist, bleibt das Asylwesen langsam und ineffizient. Die Bescheide der ersten Instanz sind oft von fragwürdiger Qualität, weshalb die meisten abgewiesenen Asylwerber in Berufung gehen und damit oft auch Erfolg haben. Doch dieser langwierige Rechtsweg trägt dazu bei, dass asylberechtigte Flüchtlinge lange warten müssen, bis sie einen sicheren Status erhalten, und die anderen bereits jahrelang im Land leben, bevor man ihre Abschiebung anordnet: Das wird dann zu Recht als wirtschaftlich unsinnig und unmenschlich wahrgenommen.

Maßnahmenbündel

Im türkis-grünen Regierungsprogramm wurde daher ein Maßnahmenbündel vereinbart, das vor allem auf eine Beschleunigung der Verfahren hinausläuft. Tatsächlich ist dort auch von "grenznahen Asylantragsverfahren ... unter Berücksichtigung des bestehenden Instruments der Wohnsitzauflage" die Rede. Innenminister Karl Nehammer blieb im Rahmen des Abkommens, als er in der ZiB 2 von Asylzentren an der Grenze sprach, in deren Nähe Asylwerber während der Verfahren bleiben müssen. Dass er damit auch die Fremdenfeindlichkeit alter und neuer türkiser Wähler ansprach, war wohl kein Zufall.

Vergessen hat der ÖVP-Politiker allerdings, dass keine Grenzregion solche Zentren haben will. Sein Rückzieher ist vor allem dem Wahlkampf im Burgenland geschuldet, wo sich sogleich die anderen Parteien über den türkisen Ausrutscher empörten. Aber die Kurzzeit-Kontroverse zeigt auch, wie wenig durchdacht dieser Teil der im Koalitionsabkommen skizzierten Strategie ist.

Vorbild dafür sind die Niederlande, wo die meisten Asylverfahren in einem einzigen Zentrum im dünnbesiedelten Norden des Landes abgewickelt werden – und das im Normalfall in acht Tagen. Ermöglicht wird das durch eine hohe Qualität der Rechtsberatung und ausreichende Personalressourcen. Die Bescheide sind nicht nur schnell, sondern auch rechtskonform und werden daher selten beeinsprucht. Das Manko ist, dass abgelehnte Asylwerber sogleich aus der Grundversorgung herausfallen und dann in Städten untertauchen.

Verfahrensdauer senken

In das österreichische Rechtswesen mit seinem starken Rechtsschutz passt ein solches Schnellverfahren allerdings nicht hinein. Das Koalitionsziel lautet auch nur, die durchschnittliche Verfahrensdauer auf sechs Monate zu senken. Das wäre gegenüber heute ein Fortschritt, lässt sich aber mit Nehammers Grenzplänen nicht vereinbaren. Acht Tage lang kann man Flüchtlinge in einer abgelegenen Region festhalten, ein halbes Jahr sicher nicht.

Die ÖVP könnte daraus die Lehre ziehen, dass es nicht mehr so einfach ist, aus dem Thema Asyl politisches Kleingeld zu schlagen. Wer Verfahren beschleunigen will, braucht mehr und besser ausgebildetes Personal. Damit lassen sich auch zusätzliche Verpflichtungen für Asylwerber verbinden. Aber alles, was nach Schikane riecht, wird nicht nur bei den Grünen auf Widerstand stoßen, sondern auch bei Teilen der eigenen Wählerschaft.

Die türkis-grüne Koalition hat eine Chance für eine neue Asylpolitik eröffnet, die von Vernunft statt von Emotionen und Wahltaktik geleitet ist. Es liegt nun vor allem an der ÖVP, dies auch umzusetzen. (Eric Frey, 21.1.2020)