Regen im Zeltlager ist immer ein schlechtes Zeichen: Uwe Achilles als Feldwebel in einer Bühnenfassung von "Jugend ohne Gott" am Theater der Jugend in Wien.

Rita Newman

Recht ist, was der eigenen Sippschaft frommt", heißt es in Ödön von Horváths Roman Jugend ohne Gott (1937). Und alles andere geht "uns", dreht man die Behauptung weiter, nichts an und wollen "wir" auch nicht haben. Alles andere soll also nicht rechtens sein. Diese nicht zuletzt xenophobe Ideologie hat Horváth (1901–1938) im Kontext einer Mittelschule zur Nazizeit eindringlich aufgezeigt. Dass das Buch bereits 1938 in die "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" aufgenommen und vom Markt genommen wurde, überrascht nicht.

Die "Sippschafts"-Propaganda ist nicht ausgestorben, man denke an markige Wahlkampfsprüche einschlägiger Parteien ("Daham statt Islam"). Auch vom "Gift der Humanitätsduselei" ist heute öfter wieder die Rede, immer dann, wenn Privilegierte sich die Bemühungen um ein menschenwürdiges Zusammenleben vom Leib halten wollen. Viele Gründe also, um Ödön von Horváths weitsichtiges Buch heute zu lesen oder auf die Bühne zu bringen.

Das leider Nicht-Gesagte

Die neue Produktion des Wiener Theaters der Jugend reiht sich auch ein in eine Liste von Inszenierungen, die sich zuletzt neu mit dem Stoff auseinandergesetzt haben, u. a. jene der Salzburger Festspiele im letzten Sommer oder jene des Schauspielhauses Graz, das eine bereits 2013 herausgebrachte Bühnenversion dieser Tage wieder im Programm hat.

An der Spielstätte im Theater im Zentrum inszeniert nun Petra Wüllenweber für junges Publikum ab 13 Jahren eine eigene Bühnenfassung als düstere Studie über Opportunismus und seine fatalen Folgen. Der Aufenthalt in einem Zeltlager wird für eine Schulklasse zur Tragödie. Einer der nur als Typen charakterisierten Schüler ohne Namen (sie heißen lediglich "T" oder "N") wird ermordet aufgefunden. Wer war es? Sicher jemand Kriminelles von außen! Ein im Wald untergetauchtes Mädchen wird verdächtigt. Das Geständnis kommt aber von einem Burschen, der ein Motiv hat. Das Motiv gründet allerdings auf einer falschen Annahme, denn der Lehrer hat etwas verheimlicht. Das aus Feigheit nicht Gesagte kann eben auch katastrophale Folgen haben.

Wie eine Teufelsaustreibung

Wüllenweber hüllt den Stoff in aschgraue Farben. Ein schmaler, schiefer Holzsteg (Bühne: Peter Engel) markiert den morastigen Boden des Zeltlagers. Nebel kriecht herein, und ein Selbstmord wird folgen. Jugend ohne Gott wirkt hier wie eine Teufelsaustreibung, aus der die Protagonisten am Ende geläutert hervorgehen und gestärkt vor den Mächtigen (Schuldirektor, Richter, Kirche) ihre Standpunkte verteidigen. In kondensierter Form ergab das eine pädagogische Schlagseite. Das Ensemble agiert indes mit Verve, besondere Dringlichkeit erzeugte Anja Rüegg.