Er gehört zweifellos zu den ganz großen Österreichern: Viktor Frankl, vielfach geehrter Begründer der Logotherapie und der Existenzanalyse sowie Autor des Bestsellers "... trotzdem Ja zum Leben sagen", in dem Frankl seine Erfahrungen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten niederschrieb. Was in der kollektiven Erinnerung an den 1997 verstorbenen weltberühmten Psychiater weniger präsent blieb, ist Frankls lebenslange Leidenschaft für die Berge. Er war ein Alpinist mit respektablen Einträgen in seinem Tourenbuch.

Kein Tourenführer: "Berg und Sinn".
Foto: Verlag

Mit dem Buch Berg und Sinn haben der Coach Michael Holzer und der Alpinjournalist Klaus Haselböck eine alpine Hommage an Frankl verfasst. Geschickt verweben sie einzelne alpine Gustostückerln aus dem Leben des kletternden Professors mit dessen Lebensgeschichte und der Entwicklung seiner therapeutischen Ansätze. Die Reise führt von der Mizzi-Langer-Wand in Wien über den Peilstein auf Rax und Schneeberg bis zu den Dolomiten.

Thesen-Spiegelung

"Berg und Sinn" ist kein Tourenführer im engeren Wortsinn, in dem nur von Frankl absolvierte Routen nachgegangen werden. Die Touren dienen vielmehr zur Spiegelung seiner Thesen. Etwa wenn es um die "Ambivalenz der Aussöhnung" geht. So lautet der Titel jenes Kapitels, in dem der Jude Frankl den Pichlweg durch die Dachstein-Südwand klettert. Die Tour ist nach Eduard Pichl benannt, einem der übelsten Antisemiten und Faschisten im Alpenverein.

Thematisiert wird auch die Ignoranz, die Frankl in Österreich entgegenschlug. Es kam der Wiener SPÖ nie in den Sinn, Frankl eine Ehrung zuteil werden zu lassen. Es blieb einer Initiative der FPÖ vorbehalten dem ehemaligen Bundesobmann der Sozialistischen Mittelschüler die Ehrenbürgerschaft Wiens zu verleihen. Frankl selbst hat dies übrigens mit Humor kommentiert: "Wenn ich es mir aussuchen kann, ob mich die Leute bis Passau kennen – oder ab Passau, dann nehme ich Zweiteres." (Thomas Neuhold, 21.1.2020)