Wuhan/Peking/Pjöngjang/Hongkong – Chinesische Behörden steigern angesichts zunehmender Todesfälle durch das neuartige Coronavirus ihre Vorsorgemaßnahmen. Verkehrsverbindungen aus Wuhan, wo der Ursprung des Virus vermutet wird, sind ab Donnerstag 10 Uhr (3 Uhr MEZ) eingestellt, wie der Sender CCTV berichtete. Der Flughafen und Bahnhöfe würden gesperrt sowie Bus-, U-Bahn- und Fährenverbindungen ausgesetzt, berichtete das staatliche Fernsehen. Die Bürger wurden gebeten, die Stadt nur unter besonderen Umständen zu verlassen. Zudem sollen in der gesamten Provinz Hubei öffentliche Versammlungen eingeschränkt werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßte die Maßnahmen. Zuvor war die WHO zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Dabei vertagte sie die Entscheidung darüber, ob der Ausbruch einen internationalen Gesundheitsnotstand darstellt, auf Donnerstag.

Bis Mittwoch meldeten chinesische Gesundheitsbeamte 17 Todesfälle, zudem wurden 544 Erkrankungen bestätigt. Demnach wurde das neuartige Virus bisher in 23 Provinzen nachgewiesen. Der Vizeminister der Nationalen Gesundheitskommission, Li Bin, warnte, es gebe Hinweise auf eine grippeähnliche Übertragung des Virus über die Luft durch Tröpfcheninfektion.

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Die Zahl der Todesopfer durch das Virus ist erneut gestiegen.
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Bei Menschen in China ist die neue Erkrankung zum allgegenwärtigen Thema geworden. Erinnerungen an den SARS-Ausbruch wurden geweckt. Während der Pandemie war das Land praktisch zum Stillstand gekommen, Schulen blieben über Wochen geschlossen.

Schutzmasken ausverkauft

In Peking waren am Dienstag und Mittwoch ungewöhnlich viele Menschen mit Schutzmasken unterwegs. In einigen Geschäften waren die Masken bereits ausverkauft. Familien diskutierten, ob geplante Reisen über die Feiertage abgesagt werden sollten.

Mit der gerade laufenden Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Übertragung des Virus. Bei der größten jährlichen Völkerwanderung sind einige Hundert Millionen Chinesen unterwegs.

In Hongkong wurde am Mittwoch ein erster Fall bestätigt. Der Patient sei mit einen Hochgeschwindigkeitszug aus China in die Stadt gekommen. Der Mann befindet sich mittlerweile in Quarantäne. Die "Moscow Times" meldete zudem einen Verdachtsfall im russischen St. Petersburg.

Am Flughafen in Hongkong schützen sich viele mit Masken.
Foto: EPA/JEROME FAVRE

USA betroffen

In den USA wurde am Dienstag ein erster Fall der neuen Lungenkrankheit nachgewiesen. Es handle sich um einen Mann, der nach einer Reise nach Wuhan am 15. Jänner in die Westküstenmetropole Seattle zurückgekehrt sei, teilte die US-Gesundheitsbehörde CDC am Dienstag mit. Die Krankheit war zuvor bereits in Japan, Südkorea, Thailand und Taiwan festgestellt worden. Zum Schutz gegen die Lungenkrankheit schloss das benachbarte Nordkorea nach Angaben von Reiseagenturen vorerst seine Grenzen für ausländische Touristen.

Experten hatten zuvor erklärt, dass vereinzelte Einschleppungen der neuen Lungenkrankheit auch nach Europa immer wahrscheinlicher würden. Die Weltgesundheitsorganisation hat wegen der Lungenkrankheit ihren Notfallausschuss einberufen. Die Experten sollten am Mittwoch beraten. Auch die EU-Kommission plant zur Bewertung der Risiken durch die neue Lungenkrankheit ein Treffen. Nach Angaben eines Sprechers soll der Ausschuss für Gesundheitssicherheit am Donnerstag zusammenkommen.

Österreich gut gerüstet

"Die internationalen Behörden beobachten die aktuelle Entwicklung genau und wenden sich mit Empfehlungen an die Mitgliedsländer. Derzeit ist absolut kein Grund zur Aufregung, aber es braucht größte Aufmerksamkeit und internationale Abstimmung", hieß es vonseiten des österreichischen Gesundheitsministeriums. Das werde durch die österreichischen Gesundheitsbehörden in allen Bereichen gut sichergestellt.

Am Flughafen Wien in Schwechat stehe man hinsichtlich einer potenziellen Einschleppung des Coronavirus in enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden, sagte ein Sprecher. "Wir verfolgen die Entwicklung der Situation sehr aufmerksam. Derzeit gilt eine erhöhte Aufmerksamkeit am Standort."

Auch als Podcast: Was man über das neue Coronavirus wissen muss.

Passagiere, die entsprechende Krankheitssymptome aufweisen, würden demnach vom medizinischen Personal des Flughafens Wien betreut und auf einen möglichen Virusverdacht überprüft. Darüber hinaus seien derzeit keine speziellen Maßnahmen vorgesehen. Vom Flughafen Wien gibt es zwar Direktflüge nach China, aber keine in die von der neuartigen Virusinfektion betroffene Region.

SARS-Variante

Analysen des Erbguts der neuen Krankheit haben dem Berliner Virusforscher Christian Drosten zufolge ergeben, dass es sich um eine SARS-Virus-Variante handelt. "Es ist dieselbe Virusart, nur in einer anderen Variante", sagte der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin. Unterschiede gebe es vor allem bei den Proteinen, mit denen das Virus an menschliche Zellen andocke. SARS-Viren gehören zu den Coronaviren, die oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen verursachen. Allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie MERS dazu.

Die ersten Infektionen mit der neuen Krankheit Ende Dezember in China werden mit einem inzwischen geschlossenen Fischmarkt in Wuhan in Verbindung gebracht, auf dem auch Wildtiere verkauft wurden.

Gesundheitsexperten warnten vor besonders ansteckenden Patienten, die das Virus schneller streuen könnten. Fälle der sogenannten "Super-Spreader" hatte es in China auch während der SARS-Pandemie gegeben, der 2002/2003 rund 800 Menschen zum Opfer gefallen waren. (APA, Reuters, 22.1.2020)