Sieht die Arbeit des Nationalrats im U-Ausschuss zu stark eingeschränkt: SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner.

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Wien – Der Ibiza-Ausschuss kommt, aber in deutlich abgespeckter Form – wesentliche Punkte wurden aus dem Antragstext gestrichen. Der Ausschuss wird nun, das wurde am Mittwoch im Nationalrat beschlossen, nicht in der Textversion der Antragssteller SPÖ und Neos eingerichtet, sondern in der Form, in der die Mehrheit ihn unterstützt – und die hat die türkis-grüne Regierung.

ÖVP und Grüne wollen mit dem U-Ausschuss lediglich die Causa Casinos beleuchten, nicht aber die Reform der Finanzmarktaufsicht oder Teile der Ibiza-Ermittlungen. Außerdem können die Hintergründe der Umwandlung der staatlichen Beteiligungsholding Öbib in eine Aktiengesellschaft (Öbag) und die Bestellung von Öbag-Vorstand Thomas Schmid untersucht werden.

Aus dem Untersuchungsgegenstand gestrichen wurden Vorstands- und Aufsichtsratsbesetzungen in weiteren staatsnahen Unternehmen, die Neustrukturierung der Finanzaufsicht und etwaige unzulässige Begünstigungen infolge großzügiger Parteispenden. Auch der Frage, ob es politische Einflussnahme auf die behördlichen Ermittlungen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos gegeben hat, darf der U-Ausschuss zumindest vorläufig nicht nachgehen. Es gebe hier keinen Zusammenhang zum Casinos-Austria- beziehungsweise Glücksspielkomplex, argumentieren ÖVP und Grüne.

Kogler verteidigt Regierungsvorgehen

Schon zuvor hatte der U-Ausschuss für einen Schlagabtausch gesorgt. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verteidigte das Vorgehen der Regierung im Pressefoyer. Von einer Behinderung wollte er nicht sprechen, man wollte schlicht "aufpassen, dass kein Wald-und-Wiesen-Ausschuss" zustande komme. Die Grünen seien in Sorge gewesen, dass Behörden mit der alten Fassung nicht gewusst hätten, welche Akten geliefert werden sollen.

In Abrede stellte Kogler auch, dass die Formulierung des Untersuchungsgegenstands eine Bedingung bei den Koalitionsverhandlungen gewesen sei. Er befürwortet vielmehr, dass sich nun der Verfassungsgerichtshof mit dem Thema befassen wird – den rief die Opposition auf den Plan.

Harte Kritik der Opposition

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warf den Regierungsparteien vor, die zu untersuchenden Inhalte einzuschränken und so die ÖVP zu schonen. "Die ÖVP soll im Ausschuss so gut wie nicht untersucht werden", sagte sie im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch. "Die gemeinsame Klammer ist das Ibiza-Video." Daher gehe der Vorwurf, es seien zu unterschiedliche Themen zu einem Untersuchungsgegenstand zusammengestoppelt worden, ins Leere. Im Gegenteil, das Verlangen von SPÖ und Neos sei "wasserdicht gewesen" und von mehreren Verfassungsexperten, darunter Heinz Mayer, geprüft worden.

SPÖ und Neos wollen binnen zwei Wochen beim Verfassungsgerichtshof die Klärung der Causa beantragen, also klagen, dass die nach dem Willen der Regierungsparteien weggelassenen Teile wieder in den U-Ausschuss-Auftrag aufgenommen werden.

Maurer verteidigt Vorgehen

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer wiederum hatte Dienstagabend die Regierungslinie vertreten und von Fehlern in der Formulierung des Untersuchungsgegenstands gesprochen. Es sei gesetzlich nicht zulässig, mehrere Themen in einem U-Ausschuss zu sammeln, sagte Maurer im ORF.

Zu viele Themen seien in einem U-Ausschuss nicht zulässig, sagte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer in der "ZiB 2".
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Ähnlich hatte zuvor die ÖVP argumentiert, die sich auf ein Gutachten von Christoph Bezemek, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Graz, beruft. Demnach ist das Oppositionsverlangen "klar verfassungswidrig", weil es so "breit und ungenau" sei, sagte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl.

Mindestsicherung und Pflegegeld

In der Nationalratssitzung am Mittwoch wird außerdem Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) eine Erklärung zu den Cyberangriffen auf sein Ressort abgeben. Behandelt werden auch zwei gegensätzliche Entschließungsanträge von SPÖ und FPÖ zur Mindestsicherung und ein FPÖ-Antrag, der vorschlägt, Personen, die zu Hause betreut beziehungsweise gepflegt werden, ab Pflegestufe drei ein um 50 Prozent höheres Pflegegeld zu gewähren.

Sigrid Mauer zu Asylzentren.
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Nebenschauplätze: Sicherungshaft und Asylzentren

in der "ZiB 2" sprach Grünen-Klubchefin Maurer auch über die Sicherungshaft. Darüber wolle sie mit Verfassungsexperten diskutieren, um festzustellen, ob tatsächlich eine gesetzliche Lücke bestehe, wie vor allem von der ÖVP argumentiert wird. Sie selbst könne sich das aber nur schwer vorstellen, betonte sie.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger fand zuvor klarere Worte: Er gehe davon aus, "dass die Sicherungshaft mit den Grünen als Koalitionspartner umgesetzt wird", sagte er diese Woche. Freilich sei dafür eine Änderung im Verfassungsgesetz notwendig, diese Lücke im System gehöre aber "unbedingt geschlossen".

Ebenfalls Thema im Interview war die Kritik an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der mit seiner Ankündigung eines neuen Asylzentrums am Montag für Aufregung gesorgt hatte – und am Dienstag zurückruderte. Laut Maurer geht es "ausschließlich um kleine Zentren für die Zulassungsverfahren zum Asylverfahren, die etwa 14 Tage dauern", sagte sie am Dienstag, Nehammer habe "unpräzise formuliert".

Tags darauf folgte Vizekanzer Kogler dieser Argumentation: Er betonte, dass Nehammer lediglich einer "vorübergehenden kleinen Sprachverwirrung" erlegen sei, als er davon sprach, Geflüchtete in "grenznahen Lagern festzuhalten". Natürlich sei damit nur das Verfahren gemeint, das in Grenznähe abgewickelt werden solle. Von Lagern will man nun nichts mehr hören. (red, 22.1.2020)