Kreidezeitliches Brutgeschäft: Oviraptoren hüten ihre Gelege.
Illustration: APA/AFP/NAGOYA UNIVERSITY/MASATO HATTORI

Sieht man vom Megalosaurus ab, dessen allererste Bezeichnung "Scrotum humanum" lautete, weil sich der englische Gelehrte Robert Plot von der Form des fossilien Oberschenkelknochens an einen menschlichen Hodensack erinnert fühlte, dann ist der Oviraptor wohl der verkannteste Dinosaurier aller Zeiten.

Als das erste Skelett dieses Theropoden in den 1920er Jahren neben den Überresten von Eiern entdeckt wurde, konnte sich noch niemand vorstellen, dass Dinosaurier fürsorgliche Eltern gewesen sein könnten, die Brutpflege betrieben wie heutige Vögel. Also interpretierte man den Dino als Eierdieb und gab ihm den entsprechenden lateinischen Namen. Heute kennt man bereits mehrere Arten von Oviraptoriden von einem bis acht Meter Länge und weiß, dass sie gebrütet haben. Aber wie genau lief das ab?

Durchleuchtung

Neue Einblicke in die Entwicklung junger "Eierdiebe" gibt nun eine Studie eines internationalen Paläontologenteams. Forscher der Universität Bonn und des Heinz-Maier-Leibnitz-Zentrums (MLZ) Garching haben zusammen mit Kollegen aus Taiwan und der Schweiz die Garchinger Forschungsneutronenquelle benutzt, um einen Blick in die Oviraptoren-Eier zu werfen. Ihre Ergebnisse sind im Fachjournal "Integrative Organismal Biology" erschienen.

Bisher wurde laut Uni Bonn vermutet, dass die vor 88 bis 66 Millionen Jahren in Zentralasien lebenden Oviraptoren hinsichtlich ihrer Reproduktionsbiologie zwischen modernen Krokodilen und Vögeln anzusiedeln seien. Krokodile vergraben ihre Eier, und die Nachkommen schlüpfen alle gleichzeitig. Bei Vögeln hingegen erfolgt das Schlüpfen im Nest häufig zu unterschiedlichen Zeiten.

Diese Oviraptoreneier waren ein Glücksfund.
Foto: W. Schürmann/TU München

Um herauszufinden, ob die Oviraptoren tatsächlich auf der Skala zwischen diesen beiden verwandten Tiergruppen lagen, untersuchten Die Forscher, wie unterschiedlich weit die Entwicklung einzelner Embryonen vorangeschritten war. Das Material lieferten drei 67 Millionen Jahre alten Eier, die im Ganzhou-Becken der chinesischen Jiangxi-Provinz ausgegraben worden waren.

"Oviraptoreneier werden in Zentralasien relativ häufig gefunden, allerdings sind die meisten aus dem Fundkontext gerissen", sagt Thomas Engler vom Institut für Geowissenschaften der Uni Bonn. Häufig sei dann nicht mehr erkennbar, ob die Eier aus einem Gelege stammten. Bei diesem Fund sei das aber anders: "Wir haben ein Eierpaar und ein weiteres Ei zusammen in einen Gesteinsblock eingebettet gefunden", berichtet Tzu-Ruei Yang, der bei einer Grabung in der Nähe der Stadt Ganzhou in China den ungewöhnlichen Fund machte. Daraus schlossen die Forscher, dass die rund 18 Zentimeter großen Eier nahezu gleichzeitig von einem Oviraptor-Weibchen gelegt wurden.

Den Verwandtschaftsverhältnissen entsprechendes Ergebnis

Aus Länge und Lage der Embryonenknochen schlossen die Wissenschafter, dass das einzelne Ei früher gelegt worden sein musste als das Eierpaar im gleichen Gelege. Doch auch bei dem Eierpaar waren die Embryonen unterschiedlich weit entwickelt. Die Ergebnisse legen also nahe, dass die Oviraptoren hinsichtlich ihrer Fortpflanzungsbiologie eher modernen Vögeln ähnelten als Krokodilen – was gut dazu passt, dass sie mit den Vögeln recht nahe verwandt waren, mit den Krokodilen hingegen nur um viele Ecken. (red, APA, 22. 1. 2020)