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US-Präsident Donald Trump und Chinas Vizepremier Liu He.

Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Nach zwei Jahren Handelskrieg zwischen den USA und China steht seit vergangener Woche zumindest ein erstes Teilabkommen. Der Streit hat die weltweite Konjunktur belastet und das Wirtschaftswachstum in beiden Ländern gebremst. Der China-Experte Dean Cheng erklärt, warum es dabei im Kern um die technologische Vorherrschaft der militärischen und ökonomischen Rivalen geht.

STANDARD: Wie beurteilen Sie Phase eins des Deals?

Cheng: Es ist völlig unklar, ob eine zweite Phase folgt. Das Wichtigste an der ersten Phase ist, dass der Aspekt des Schutzes von intellektuellem Eigentum Einzug gefunden hat. Die US-Regierung mag vorwiegend über Landwirtschaft und Währungsmanipulation sprechen. Das ist meiner Meinung nach zweitrangig. Die USA sind einer der weltweit größten Agrarexporteure, China hat hier hingegen Probleme. Dokumente der US-Vertretung bei den Gesprächen zeigen, dass ihr Fokus auf der Gewährung des Schutzes geistigen Eigentums lag. Die chinesische Seite hat in diesem Punkt die größte Unnachgiebigkeit gezeigt. Information, Informationssicherheit, geistiges Eigentum sind immerhin das Herzblut der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts.

STANDARD: Der Vertrag gewährt keinen Schutz für geistiges Eigentum oder ein Ende der Verpflichtung zum Technologietransfer.

Cheng: Der Vertrag beinhaltet ein gewisses Commitment und Sanktionsmöglichkeiten. Beide Seiten sind bereits an ihre Grenzen des Möglichen gegangen. Hätte ich gern mehr gesehen? Absolut. Ich bin äußerst pessimistisch, dass sich die chinesische Seite an dieses Teilabkommen halten wird. Es wird kein Jahr dauern, ehe wir ihnen wieder Diebstahl geistigen Eigentums vorwerfen. Wer sich mehr erhofft, der hofft generell, dass sich China an globale Standards hält. Das gesamte chinesische System ist allerdings nicht darauf ausgelegt, sich an globale Standards zu halten. Enorme Ressourcen werden für den Zugriff auf geistiges Eigentum eingesetzt. China zeigt in immer mehr Schlüsselbereichen wie künstlicher Intelligenz oder Weltraum eigenständige Innovation. In anderen aber zeigt China wenig Bereitschaft, den Diebstahl geistigen Eigentums zu beenden.

China-Experte Dean Cheng.
The Heritage Foundation

STANDARD: Der Technologiekrieg zwischen den USA und China ist schon längst voll im Gange?

Cheng: Absolut. Die USA und China sind keine Feinde. Aber sie sind Rivalen und stehen in vielen Bereichen im Wettbewerb: politisch, wissenschaftlich – etwa bei der Raumfahrt –, technologisch. Im Tech-Wettbewerb kommen ständig neue Aspekte hinzu.

STANDARD: Wie berechtigt sind die US-Bedenken bezüglich der Bemühungen des chinesischen Telekommunikationsausrüsters Huawei, der unter anderem das 5G-Netz in Europa ausbauen möchte?

Cheng: Das ist auf vielen Ebenen ein Problem. Der Aufbau eines 5G-Netzwerks umfasst viele Technologiebereiche. Die Übertragung massiver Datenmengen verlangt ein neues Sicherheitsnetz. Huaweis eigene Informationssicherheit ist aber problematisch. Auch die Briten haben zuletzt vor Huaweis schlampiger Verschlüsselung gewarnt, die verwundbar macht für Hackerangriffe. Oder: China ist ein autoritäres Regime. Die chinesische Regierung hat sich Zugriff auf alle Informationen gesichert. Apple kann sich in den USA weigern, dem FBI Daten auszuhändigen. Dass Huawei das in China verweigern kann, ist schwer vorstellbar. Was bedeutet das aber, wenn Huawei Österreich oder Kanada 5G-Infrastruktur liefert? Informationssicherheit ist nicht nur eine Frage von Passwörtern und Hacking, sondern auch von physischer Infrastruktur.

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Huawei ist zwischen die Fronten geraten.
Foto: Reuters/Hannibal Hanschke

STANDARD: Selbst Verbündete der USA kommen deren Aufforderung nicht nach, Huawei vom Markt auszuschließen. Sie argumentieren mit mangelnden Beweisen dafür, dass das Unternehmen ein Sicherheitsrisiko darstelle.

Cheng: So ziemlich jeder westliche Geheimdienst schätzt Huawei als Sicherheitsrisiko ein. Demokratien werden allerdings nicht von Geheimdiensten regiert. Regierungen wägen den Sicherheitsaspekt mit anderen, etwa ökonomischen Aspekten ab, denn sie sehen: Huawei liefert hohe Qualität, die morgen geliefert werden kann, zu einem Drittel des Preises. Ich hoffe, dass die US-Bemühungen erfolgreich sind. Nicht weil ich Amerikaner bin, sondern weil ich überzeugt bin, dass wir langfristig ein existenzielles Problem haben, wenn sich China Zugang zu geistigem Eigentum in einer ganzen Reihe von Ländern verschafft. Warum sollte sich Peking noch um globale Standards und Marktöffnung scheren, wenn es bereits eine dominante Position im Technologiebereich einnimmt?

STANDARD: Was erklärt Donald Trumps inkonsistente China-Politik?

Cheng: Trumps Blick auf die Welt ist ganz anders im Vergleich zu jenem seiner Vorgänger. Er hat keine politische, diplomatische, militärische, sondern eine Karriere als Geschäftsmann hinter sich. Deshalb kritisiert er China nicht wegen Menschenrechtsverletzungen oder im Streit um das Südchinesische Meer. Ich verteidige das Vorgehen nicht, aber er muss sui generis verstanden werden: Er sieht Länder als Geschäftspartner, sein Werkzeug sind Strafzölle. (Anna Giulia Fink, 23.1.2020)