Jan Krainer (SPÖ) sprach schon zuvor von einem "schwarzen Tag für den Parlamentarismus".

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Wien – Nach Ende des Nationalratsplenums hat sich in der Nacht auf Donnerstag der U-Ausschuss mit der recht sperrigen Bezeichnung "Untersuchungsausschusses (...) betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" offiziell konstituiert.

Seit Donnerstagmorgen stehen auch die Vertreter der Fraktionen fest. Zusätzlich zu Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Vorsitzendem besteht er aus 13 Mitgliedern (und ebenso vielen Ersatzmitgliedern), wobei fünf Abgeordnete von der ÖVP, drei von der SPÖ, je zwei von der FPÖ und den Grünen sowie einer von den Neos gestellt werden.

Verfahrensrichterin erstmals eine Frau

Für die Volkspartei sind das Wolfgang Gerstl als Delegationsleiter sowie Klaus Fürlinger, Martina Kaufmann, Ernst Gödl und Friedrich Ofenauer. Die SPÖ-Delegation besteht aus Kai Jan Krainer, Eva Maria Holzleitner und Christoph Matznetter, jene der FPÖ aus Christian Hafenecker und Susanne Fürst. Die Grünen sind mit Nina Tomaselli und David Stögmüller vertreten, die Neos durch Stephanie Krisper.

Zur Verfahrensrichterin wurde im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats mit Ilse Huber, ehemals Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), erstmals eine Frau gewählt. Ihr Stellvertreter ist der frühere Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien, Wolfgang Pöschl. Über die Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen werden Rechtsanwalt Andreas Joklik als Verfahrensanwalt und Barbara Weiß, Richterin am Bundesverwaltungsgericht, als seine Stellvertreterin wachen.

Pilz und Opposition in Aufruhr

Untersucht werden, knapp gesagt, Teile der Ibiza- und der Casinos-Affäre. Weite Passagen wurden jedoch zuvor von den Regierungsparteien gestrichen, mit dem Argument, die Inhalte würden nicht zusammenhängen. Die Opposition rief den Verfassungsgerichtshof (VfGH) auf den Plan. Bekommen sie dort recht, wird der Ausschussgegenstand nachträglich wieder erweitert.

Peter Pilz, einst grüner Aufdecker und mit seiner eigenen Liste bei der jüngsten Nationalratswahl gescheitert, attackiert in Sachen Ibiza- und Casinos-U-Ausschuss seine Ex-Partei. "Ist euch klar, dass euch die ÖVP gerade in politische Sicherungshaft nimmt?", fragte er am Donnerstag seine Ex-Kollegen angesichts der ÖVP und Grünen vorgenommenen Einschränkung des Untersuchungsgegenstands. "Niemand von uns hat je daran gedacht, dass das Parlament einmal vor den Grünen geschützt werden muss. Jetzt ist es soweit".

Kritik: Ibiza-U-Ausschuss ohne Ibiza

Auch in der Nationalratsdebatte am Mittwoch ging es hart zur Sache, vor allem der kleine Koalitionspartner wurde kritisiert. "Die Grünen machen die Mauer, ich pack es nicht", höhnte etwa Matznetter darüber, dass diese sich seiner Ansicht nach von der ÖVP instrumentalisieren ließen. Dass es ein Ibiza-U-Ausschuss ohne Ibiza werde, kritisierten die SPÖ-Mandatarinnen Katharina Kucharowits und Nurten Yilmaz.

"Sehr enttäuscht" zeigte sich auch Helmut Brandstätter (Neos), der sich bemüßigt fühlte, die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zu belehren. "Das soll nicht paternalistisch klingen, aber Frau Maurer, manchmal reicht nicht eine Handbewegung, manchmal muss man den Kopf bewegen und Nein sagen", spielte er auf deren berühmt gewordene Stinkefinger-Geste an.

Dass auch Christian Hafenecker von der FPÖ von einem "Armutszeugnis" bei den Grünen sprach, empörte deren Exponentin Nina Tomaselli. "Sie sind nicht in der Position, sich hier herzustellen und sich derart aufzupudeln", rief sie. Immer wieder müsse man nach dem "Korruptionstumult", den die FPÖ zurücklasse, wieder aufräumen. Bei den Freiheitlichen herrsche Inkompetenz, gepaart mit schlichter Gier.

Regierung genervt

Wolfgang Gerstl von der ÖVP erinnerte daran, dass nun sofort eine höchstgerichtliche Entscheidung über Verfassungskonformität folgen werde. Er kritisierte vor allem die SPÖ: "Sie waren einmal eine Partei, die sich staatstragend genannt hat. Heute schlagen Sie nur noch um sich." Entscheidend sei, dass der Ausschuss sofort beginnen könne.

Auch die Grünen, die Aufklärung und Transparenz wiederholt als ihre Kernanliegen benannten, zeigten sich von der "Show" der SPÖ genervt. Bereits im Dezember habe man auf die Unzulässigkeit des "Kraut-und-Rüben"-Verlangens der Opposition hingewiesen, betonte Mandatar Michel Reimon. Sein Vorschlag: "Macht halt zwei Untersuchungsausschüsse, das ist geschäftsordnungsmäßig."

Mindestsicherung und Rauchen auch auf der Agenda

Zum Ende der Sitzung hatte sich der Nationalrat noch mehreren Entschließungsanträgen gewidmet und eine Reihe von Ersten Lesungen verschiedener Gesetzesinitiativen durchgeführt, die dann den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden. Die Bandbreite reichte hier von der Mindestsicherung über FPÖ-Wünsche zum nächtlichen Rauchen in der Gastronomie bis zur Aufwertung von Volksbegehren und der leichteren Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. (red, APA, 23.1.2020)