Es war ohne Zweifel die Show des Jahres. Hunderte von Journalisten, Fans und Stars versammelten sich am Mittwochabend im Théatre du Châtelet, um bei der letzten Modeschau von Jean-Paul Gaultier dabei zu sein. Topmodel Eva Herzigová trug als Hommage an den Modeschöpfer ein lachsfarbenes Korsage-Kleid – einer der Entwürfe, mit dem der junge Gaultier in den 80er-Jahren berühmt wurde.

Ellen von Unwerth (l.) und Eva Herzigova.
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Auch Carla Bruni-Sarkozy erwies dem Enfant terrible die Ehre. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jean-Paul Gaultier jemals aufhören kann", sagte sie. "Er ist mehr als lebendig."

Als ob Gaultier ihr beipflichten wollte, strotzte seine Abschiedsshow nur so vor Lebensfreude. Auf dem Laufsteg wurde über eine Stunde lang getanzt, gesungen und gefeiert. Es war wie ein riesiges Best-of. Mit rund 200 Looks blickte Gaultier auf seine erfolgreichsten Entwürfe zurück: Korsagen waren zu sehen, Matrosen-Looks, SM-Klamotten, Mieder und Strapse. Und natürlich durften seine berühmten blau-weißen Streifen nicht fehlen.

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Noemie Lenoir.
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Die Schauspielerinnen Rossy de Palma und Beatrice Dalle sowie Fußballer Djibril Cisse.
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Schauspielerin und Model Estelle Léfebure, Burlesque-Künstlerin Dita von Teese und und Miss Univers 2017 Iris Mittenaere.
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Karlie Kloss.
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Ein Küsschen vom Designer für Sänger Boy George ...
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.. und eins für Gaultier von der spanischen Schauspielerin Rossy de Palma.
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Mit dieser spektakulären Show verabschiedet sich Jean-Paul Gaultier nach über 50 Jahren von der Modebühne. "Bitte nicht traurig sein", sagte der Designer backstage nach der Show. "Die Marke Gaultier wird es weiterhin geben, aber ohne mich. Ich mache etwas anderes, eine neue Revue oder neue Projekte, aber auf jeden Fall etwas, das mit Mode zu tun hat, etwas anderes kann ich auch gar nicht."

Das Label Jean Paul Gaultier könnte also bald einen neuen Chefdesigner bekommen. Es wäre nichts Ungewöhnliches. Viele Designerbrands werden auch ohne ihre Gründer erfolgreich weitergeführt, so etwa Yves Saint Laurent, Givenchy oder Balenciaga.

Von Antifashion zu Haute Couture

Apropos Balenciaga: Gleich zum Auftakt der Modewoche ließ Kreativdirektor Demna Gvasalia verlauten, mit der Marke zur Haute Couture zurückzukehren. Über 50 Jahre nach dem Tod von Cristobal Balenciaga wird das Modehaus im Juli also zum allerersten Mal wieder handgenähte Unikate zeigen.

Dass ausgerechnet Gvasalia, der Gründer der Underground-Marke Vetements, sich für Haute Couture interessiert, könnte ein Zeichen dafür sein, dass die hohe Schneiderkunst gerade wieder auf dem Vormarsch ist. "Es gibt so viele Debatten über die Aktualität von Haute Couture, über die Art und Weise, wie man sie macht, warum man sie macht etc. Ich glaube, wir leben in einer Zeit, die ihr günstig gegenübersteht", sagte er in einem Interview mit Le Figaro.

Häuser wie Valentino setzen ohnehin schon lange auf das Geschäft mit der Einzelanfertigung. Hier können sie ihr außergewöhnliches Savoir-faire unter Beweis stellen und dadurch das Image der Marke stärken. Pierpaolo Piccoli tat dies in dieser Saison mit einer ganz neuen Silhouette, die aus engen Meerjungfrau–Kleidern mit ausgestelltem Bein bestand und in knalligen Farben kam – wie Lila, Scharlachrot oder Mintgrün.

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Valentino
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Auch die Britin Clare Waight Keller setzte diesmal für Givenchy auf Farbe. Ihre kunstvollen Kleider in Violett, Sonnengelb und Apricot wirkten, als hätten sich riesige Blütenblätter um die Körper der Models geschmiegt.

Givenchy
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Klosterschülerin Coco Chanel

Die Entwürfe von Virginie Viard kamen daneben regelrecht schlicht daher. Doch genau das war ihre Stärke. Unter der Kuppel des Grand Palais, wo die Chanel-Show stattfand, waren einfache Wäscheleinen aufgespannt, auf denen weiße Leinentischtücher hingen. In der Mitte ein Gemüsegarten mit Weinstöcken, Tomaten, Kohl und Kräutern sowie ein Brunnen. Das Setting der Show sollte an den Klostergarten der Abtei Aubazine erinnern, in deren Waisenheim Coco Chanel ihre Jugend verbrachte.

Fast ein Jahr nach dem Tod von Karl Lagerfeld propagiert Viard damit eine neue Schlichtheit und zeigt zum ersten Mal ihre ganz eigene Handschrift. Trotz einiger für die Haute Couture typischer, aufwendig bestickter Kleider wirkte die Kollektion sehr zurückgenommen. Es gab weder Taschen noch Schmuck noch Accessoires, und mit ihren dicken weißen Socken in den schwarzen Samtloafers, den hochgeschlossenen Claudine-Krägen und Röcken bis über die Knie erinnerten die Models tatsächlich ein bisschen an züchtige Klosterschülerinnen.

Chanel
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Maria Grazia Chiuri nutzte die Dior-Show wieder, um feministischen Fragen nachzugehen. "Was, wenn Frauen die Welt regierten?" ließ sie auf einen der riesigen Wandteppiche sticken, die wie Prozessionsfahnen den Laufsteg zierten. "Gäbe es dann Gewalt?", "Wäre die Erde dann geschützt?"stand auf anderen.

Für die Show-Installation hatte Chiuri die amerikanische Künstlerin und Feministin Judy Chicago mit ins Boot geholt. In Anlehnung an ihre Arbeit kamen die Models als griechische Göttinnen daher. Sie trugen wehende, bodenlange Chiffonkleidern in Gold- und Metallic-Tönen, offene lange Haare und flache Riemchensandalen. Für großes Aufsehen sorgte das zwar nicht, aber schön waren die Kleider allemal.

Dior
Foto: apa/apf/Guillot

Und wer weiß, vielleicht sorgt Demna Gvasalia in der nächsten Saison für das große Spektakel und tritt damit in Jean-Paul Gaultiers Fußstapfen. Ein Ende der Haute Couture ist jedenfalls noch lange nicht in Sicht. (Estelle Marandon, 23.1.2020)