Scott Jenkins, der Sheriff von Culpeper, vor dem Parlamentsgebäude in Richmond, wo er auf einer Demo gegen härtere Waffengesetze protestierte.

Frank Herrmann

Rechte Milizionäre, einige mit vermummten Gesichtern, stellten demonstrativ ihre Schnellfeuergewehre zur Schau.

Frank Herrmann

Scott Jenkins stapft einen grasbewachsenen Hügel hinauf. "Thank you, thank you, thank you!", ruft der schwergewichtige Mann seinen Fans zu, die ihn feiern wie einen Rockstar. Und ein Fan ist hier irgendwie jeder. "Guns Save Lives" steht auf Aufklebern, die sich viele an Jacken, Mäntel, Baseballkappen gepappt haben. "Schusswaffen retten Leben."

Auf der Hügelkuppe thront ein weißes Gebäude, das mit gewaltigem Säulenportal an einen griechischen Tempel denken lässt. Das Kapitol von Virginia, Sitz des Parlaments eines Bundesstaats, der sich rühmt, mehr amerikanische Präsidenten hervorgebracht zu haben als jeder andere. Der Sheriff von Culpeper, einer 18.000-Einwohner-Stadt mit ländlichem Charme, wird dort gleich eine Rede halten. Von einem Tag auf den anderen ist er berühmt geworden.

Jenkins' rote Linie

Im Dezember erklärte er auf einer Sitzung seiner Gemeindeverwaltung, er wisse schon, wie man in Culpeper strengere Waffengesetze umgehe, sollte Virginia sie denn verabschieden. Er werde jeden Bürger, der dies wünsche, kurzerhand zu seinem Stellvertreter ernennen. Eventuellen Restriktionen hätten sich seine Hilfssheriffs dann nicht zu unterwerfen, schließlich seien sie ja im Dienst. Er empfehle sein Modell sehr zur Nachahmung, sagt Jenkins, als er in Richmond am Rednerpult steht. "Ihr müsst den Politikern, die euch vertreten, signalisieren: Hier verläuft die rote Linie, und diese Linie lassen wir keinen überschreiten."

Ein Montag im Jänner. In eisiger Kälte haben sich schätzungsweise 20.000 Waffenbesitzer in der Hauptstadt Virginias versammelt, um zu protestieren. Auf dem Kapitolshügel, hinter Maschendrahtzäunen und Metalldetektoren, stehen diejenigen, die ihre Gewehre und Pistolen zu Hause gelassen haben. Ringsum, in den kopfsteingepflasterten Straßen des historischen Zentrums, stellen rechte Milizionäre Sturmgewehre des Typs AR-15 zur Schau, Helme auf dem Kopf, die Uniformen gescheckt, die Gesichter bisweilen hinter Tüchern getarnt. Auf der Attrappe einer Guillotine, einer fünf Meter hohen Holzkonstruktion, ist zu lesen: "Die Strafe für Hochverrat ist der Tod."

Vorausgegangen war die Ankündigung Ralph Northams, des demokratischen Gouverneurs, endlich Ernst zu machen mit härteren Waffenvorschriften. Vorausgegangen war im November eine Wahl, in deren Ergebnis die Demokraten erstmals seit einem Vierteljahrhundert in beiden Kammern der Legislative die Mehrheit bilden. Vorausgegangen war im Mai der Amoklauf eines Mannes, der in einem Verwaltungsgebäude in Virginia Beach, einer Küstenstadt am Atlantik, zwölf ehemalige Kollegen erschoss. Schon damals versprach die Reformfraktion striktere Paragrafen, jetzt soll Konkretes folgen.

Nicht mehr als eine Waffe pro Monat

In Zukunft will man Waffenhändler verpflichten, ausnahmslos alle Kunden mithilfe eines computergesteuerten Zentralregisters auf eventuelle Vorstrafen zu überprüfen, auch auf bisher unkontrollierten, ad hoc organisierten Basaren. Der Polizei soll erlaubt werden, vorübergehend die Schießeisen von Menschen zu konfiszieren, von denen nach Ansicht eines Gerichts Gefahr für das eigene Leben oder das Leben anderer ausgeht. Oft handelt es sich um Leute, deren Angehörige angesichts offen geäußerter Selbstmordabsichten Alarm schlugen. Schließlich soll niemand mehr als eine Schusswaffe pro Monat erwerben dürfen. Schon die Ankündigung reichte, um massive Proteste auszulösen.

"One Gun a Month!", ist im Sinne einer Anklage auf Plakaten der Flintenlobby zu lesen, neben der Zeile, dass es sich um einen Angriff auf gottgegebene Freiheitsrechte handelt. Flugblätter werben für eine Bewegung, deren Ziel es ist, eine Gemeinde nach der anderen offiziell zur "Zufluchtsstätte" zu machen, in der das Second Amendment nicht angetastet werden darf. Jener zweite Zusatzartikel zur Verfassung, der privaten Waffenbesitz garantiert – uneingeschränkten Waffenbesitz, wie die NRA, die National Rifle Association, den Wortlaut interpretiert.

Es ist ein Fall, in dem sich das konservative Amerika einen Begriff des linksliberalen Amerikas zu eigen macht. Metropolen wie New York, Los Angeles oder San Francisco hatten sich einst zu "Sanctuary Cities" erklärt, zu Zufluchtsorten für illegale Einwanderer, in denen Polizisten, etwa bei Verkehrskontrollen, nicht nach dem Aufenthaltsstatus fragen dürfen. In den "Second Amendment Sanctuaries" sollen die Lokalbehörden durch Nichtbeachtung ins Leere laufen lassen, was immer das Parlament in Richmond beschließt.

Hilfssheriffs ohne Ende

Auch Culpeper County hat sich den Status zugelegt. Vor gut einem Monat war das, ein Triumph für den Sheriff. Nun also, einstweilen noch theoretisch, die Sache mit Scott Jenkins' Stellvertretern. 5.000 Hilfssheriffs, schätzt der Mann in der ockerbraunen Uniform, kämen ganz sicher zusammen, ohne dass er sich auf eine Obergrenze festlegen wolle. "Es gibt kein Limit für die Zahl der Leute, denen ich den Eid abnehmen kann." (Frank Herrmann aus Richmond, 24.1.2020)