Volker Bruch (Mitte) in der Rolle des Kommissars Gereon Rath, die Handlung der dritten Staffel beginnt vor dem Börsencrash 1929.

Foto: Sky

Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) stoßen auf einen Dschungel aus Prostitution, Waffenhandel, Korruption und politischen Intrigen.

Foto: Sky

Vor rund zwei Wochen störte eine Krawallgruppe eine Aufführung im Dresdner Kabarett Herkuleskeule. Die sichtlich dem rechtsextremen Spektrum zuordenbaren Gäste beschimpften die Aufführenden und verletzten einen Kabarettisten, indem sie ein Bierglas auf ihn warfen. Sie skandierten "AfD, AfD!" und "Scheiß Asylanten".

Störer stürmen die Bühne

Nach dem Gemenge kam die Polizei, die verbliebenen drei Männer gehören laut Medienberichten zu einer stadtbekannten Störergruppe aus dem Cottbuser Raum. Der Besitzer des Etablissements erzählte von Kritik an seinem Haus: Es gebe immer mehr Zuschauer, die forderten, Kabarett habe "politisch neutral" zu sein. Sein Kabarett werde sich nicht einschüchtern lassen. "Es wird wieder Alltag, dass, wer seine Meinung sagt und Haltung zeigt, besonderen Schutz braucht."

Die Szene könnte direkt aus Babylon Berlin stammen, und sie hätte sich real genauso gut vor 90 Jahren ereignen können, in der auch die dritte Staffel der Krimiserie spielt. Die Störer stürmen die Bühne – und stoßen auf Verständnis. "Man muss darüber reden und es ernst nehmen", sagt Volker Bruch, Hauptdarsteller von Babylon Berlin, wenn er nach Parallelen zwischen den 1920ern und heute gefragt wird.

Zwölf neue Folgen sind ab Freitag auf Sky 1 zu sehen und auf mobilen Diensten des Abosenders abrufbar. Im Herbst wird die Staffel dann in der ARD ausgestrahlt.

Jüdische Verschwörung

Wobei ihn die oft strapazierten Vergleiche zwischen damaligen und gegenwärtigen Verhältnissen eher nerven: "Ich sträube mich ein wenig dagegen, weil wir alle wissen, wo das hingeführt hat. Ich sehe Parallelen, aber ich hoffe, dass wir eine Lösung finden."

Schauplatz der Verbrechen in den neuen Folgen sind die Filmstudios Babelsberg. Dort wird gerade gedreht: ein Film und an einer Schraube. Eine finstere Gestalt löst damit einen Scheinwerfer, und dieser donnert geradewegs auf Betty Winter, die ihr umwerfendes Lied über den Weltschmerz deshalb nicht zu Ende bringen kann. "Es hat einen Unfall gegeben", heißt es danach. Schnell wird eine jüdische Verschwörung kreiert: "Denen legen wir das Handwerk und holen unser Geld zurück und unser Land."

Babylon Berlin tanzt auch in den neuen Folgen den Teufelstanz des Adolf Hitler – direkt in den Abgrund. Und wenn sich Geschichte auch nicht wiederholen mag, so hält die penibel recherchierte Serie der Gesellschaft doch einen Spiegel vor: das Erstarken antidemokratischer Kräfte, Diffamierung von Medien, Hass gegenüber Minderheiten, steigende Gewaltbereitschaft. Babylon Berlin basiert auf den Volker-Kutscher-Romanen um Gereon Rath. Ein "expressionistisches Musical" nannte Regisseur Achim von Borries dieses rasende Sittengemälde. Borries hat mit Henk Handloegten und Tom Tykwer auch die neuen Folgen inszeniert.

Schlanker, weniger zerfranst

Entstanden ist wieder ein opulentes, rhythmusbetontes, ausdrucksstarkes Serienkunststück, das sich von der Lust an den Superlativen der ersten beiden Staffeln – 300 Sprechrollen! 5000 Komparsen! 300 Drehorte! Teuerste deutsche Serie! – etwas gelöst hat.

Die Folgen geben sich in der Erzählstruktur schlanker und weniger zerfranst: "Wir wollten nicht einfach das Gleiche noch einmal machen. Zu sagen, das lief jetzt gut, da machen wir weiter, war keine Option. Damit hätten wir nur scheitern können. Also musste es eine Veränderung geben. Wir gingen näher an die Figuren." Dennoch sei es die Rolle, die ihn in seiner Karriere am meisten forderte, sagt Bruch.

Sensationsgierige Medien

Die Vergangenheit hinter sich zu lassen fällt hier niemandem leicht. Wir befinden uns noch immer im Jahr 1929, das Land ist gespalten, die Stadt taumelt, hohe Arbeitslosigkeit, brauner Pöbel, sensationsgierige Medien, kommunistische Anschläge auf der einen Seite, Zügellosigkeit, Vergnügungssucht, Habgier auf der anderen Seite. Dabei brechen moderne Zeiten an. Fingerabdrücke!

In all dem bewegt sich Gereon Rath wie in einer Gummizelle, Entkommen unmöglich: "Er ist auf eine Art erwachsener geworden", räumt Bruch ein. Stimmungsmäßig befinde sich der Kommissar allerdings nach wie vor im "Auf und Ab". (Doris Priesching, 24.1.2020)

Trailer zu dritten Staffel

Sky Österreich