Türkis und Grüne haben sich nicht gesucht, aber gefunden.

Foto: Matthias Cremer

Man soll sich nicht zu viel vornehmen. Das gilt für den Turmbau im Allgemeinen wie für koalitionäre Selbstüberhebung im Besonderen. In der türkis-grünen Begegnungszone, in der jeder das macht, was er am besten zu können sich anmaßt, kann das ebenso leicht zu Sprachverwirrung führen wie in biblischen Gefilden. In eine solche ist nach einer Diagnose des Vizekanzlers der Innenminister verfallen, als er zur höheren Ehre seines Meisters Asylzentren in Österreichs südlichen Grenzbereichen ankündigte, ohne die bevorstehenden Wahlen im Burgenland und einige Landeshauptleute in seine humanistischen Überlegungen einzubeziehen.

Der nüchterne Beobachter hätte diese zerebrale Finsternis auf einen Fluch Herbert Kickls über alle ihm nachfolgenden Innenminister zurückgeführt, von dem sich Karl Nehammer am nächsten Tag zu befreien suchte, indem er das Gegenteil behauptete. Das zog Werner Kogler selbst in den Sog seiner Diagnose, erwies er sich doch als sprachverwirrt mit seinem Versuch, die von Nehammer beabsichtigten Asylzentren in "grenznahe Verfahren", die aber ohnehin schon stattfänden, umzudeuten.

Burgenländische Schlichtheit

Anders Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der sich jeder semantischen Kompetenz entschlug und in burgenländischer Schlichtheit von einem "Blödsinn" sprach, wie er ihn "überhaupt noch nicht" gehört habe. Was bei ihm etwas bedeuten will, ließ er doch wiederholt durchblicken, wie viel Blödsinn er schon aus seiner eigenen Partei hören musste. Ob da die nibelungentreue Verharmlosung, die Kogler auf dem Altar des Koalitionspartners sprachverwirrt deponierte, mitgemeint war, blieb zunächst offen.

Noch deutlicher wurde der Zusammenhang zwischen Sprache und Bewusstsein am Beispiel der grünen Klubobfrau zum Thema Untersuchungsausschuss. Statt offen einzugestehen, was ohnehin niemandem verborgen bleibt – fürs Mitregieren verbitten wir uns Untersuchungen, die die ÖVP betreffen könnten –, versuchte es Sigrid Maurer mit sprachlicher Verwirrung, die umso peinlicher war, als sie grünen Sprech vor dem Regierungseintritt offen konterkarierte: Je weniger untersucht werde, desto mehr Klarheit. Und: Gerade als Partei, die einst für das Minderheitenrecht, U-Ausschüsse einzusetzen, gekämpft habe, dürfe sie nun auch Untersuchungen behindern. Das ist die Dialektik des Kniefalls, die nicht den Versuch von Aufklärung, sondern dessen Diffamierung als "Wald-und-Wiesen- oder Kraut-und-Rüben-Ausschuss" (Kogler) zum Ziel hat.

Grüne bürgerliche Partei

Ob solcher Sprachverwirrung sind nun viele enttäuscht. Das hätte man der ÖVP, aber nicht einer Partei zugetraut, die gelegentlich schon in den Verdacht geraten war, links zu sein. Das war aber auch nur eine Sprachverwirrung. Die Grünen waren nie etwas anderes als eine bürgerliche Partei, Softkonservative, die sich nach dem Schock der parlamentarischen Zwangsabsenz mit der Hardcore-Variante zusammengefunden haben. Nun sind sie, wenig überraschend, im Angleichungsmodus.

Wie lange und wie intensiv, hängt von Sebastian Kurz ab. Vielleicht auch vom Höchstgericht. Sollte es der Opposition recht geben, ist von den Grünen wieder einiges an Sprachverwirrung zu erwarten. (Günter Traxler, 23.1.2020)