Der Ökonom Oliver Picek verweist in der Debatte um den Wohlstand der Millennials auf die fehlende Verteilungsgerechtigkeit. Eine Replik auf den Beitrag über Lukas Sustalas Buch "Zu spät zur Party".

Als 30-Jähriger muss man nach diesem Buch seine Eltern hassen. Sie sind die allein Schuldigen an allen Problemen, ist man nach der Lektüre überzeugt: hohe Mieten und Immobilienpreise, Klimawandel, Finanzkrise, unsichere Jobs in einer prekären Arbeitswelt. Die jungen Millennials sind "zu spät zur Party" gekommen und können deshalb nicht mehr mitfeiern, während die in den 1960ern geborenen Babyboomer abgecasht haben. Diese These steht im Zentrum des Buchs Zu spät zur Party: Warum eine ganze Generation den Anschluss verpasst von Agenda-Austria-Ökonom Lukas Sustala.

Tatsächlich beziehen sich Verteilungskonflikte manchmal auf das Alter. Aber es ist doch nicht jedes gesellschaftliche Problem allein auf einen Generationenkonflikt zurückzuführen. Wer das tut, vergisst bei der Betrachtung einer Maus unterm Küchentisch auf den Elefanten im Raum: auf das Thema der Verteilung zwischen Arm und Reich. Das wahre Match in unseren Gesellschaften lautet nicht "Alt gegen Jung", sondern "Arm gegen Reich".

Enttäuschter Banker

Gleich im ersten Kapitel erfahren wir die Geschichte von Florian, der als Investmentbanker nach London ausrückte, um reich zu werden. Er musste eine "herbe Enttäuschung" nach der Krise 2008 erleben, weil er nicht genauso viel wie seine Bankerkollegen verdiente und zunächst nur einen befristeten Vertrag bekam. Etwas, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon mindestens ein bis zwei Jahrzehnte länger als Florian kannten und kennen – nicht zuletzt aufgrund von Florians Arbeitgebern, den Hedgefonds, die immer mehr Rendite von Unternehmen verlangen. Ein nicht geringer Teil dieser Profitsteigerungen wird auf dem Rücken der Angestellten durch Leiharbeit, befristete Verträge und Gehaltseinbußen erreicht. Man darf annehmen, dass es Florian heute gut geht.

Nicht ganz so gut erging es jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und kleinen Selbstständigen in Griechenland und Spanien, auf die sich laut Sustala die Krise "anders" auswirkte. "Anders" bedeutet in der Realität aber "dramatisch". Die verfehlte wirtschaftspolitische Linie, der auch der Autor generell anhängt – Staatsausgaben kürzen um jeden Preis –, führte dort zu Massenarbeitslosigkeit in Millionenhöhe. Das musste sich sogar der Internationale Währungsfonds letztlich eingestehen, so offenkundig waren die Zahlen und Fakten.

Randphänomen hohe Pension

Völlig richtig an Sustalas Analyse ist, dass viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dank ihrer besseren arbeitsrechtlichen Absicherung und gewerkschaftlichen Organisation besser durch die Krise gekommen sind als junge Berufseinsteiger. Da drängt sich die Forderung auf, den Schutz der Älteren auch auf die Jungen auszuweiten! Davon ist aber im Buch keine Rede.

Die Erzählung von den reichen Alten ist ohnehin nur dann aufrechtzuerhalten, wenn man das verteilungspolitische Auge bewusst schließt: In Österreich betrug die Zahl der Langzeitarbeitslosen vor der Krise 50.000, danach bis zu 150.000. Ein Drittel von ihnen waren Menschen über 50, die – einmal arbeitslos – kaum mehr Chancen auf einen Job haben. Ähnliches gilt auch für den Pensionsbereich: Man kann die Pensionshöhen der Nationalbanker natürlich kritisieren. Aber es ist bewusst irreführend, im Generationenkonflikt auszublenden, dass es in Österreich 211.000 Mindestpensionsbezieherinnen und -bezieher gibt, die jeden Monat 967 Euro erhalten. Ihnen kann man wohl kaum etwas neiden. Hohe Pensionen sind ein Randphänomen, bedenkt man, dass die mittlere Pension für Österreichs Pensionisten 1129 Euro beträgt und jeder Zweite weniger erhält.

Extreme globale Ungleichheit

Sustalas Vorstellung von der großen Party, zu der man früher noch leichter, aber heute "nur mehr schwer" eine Einladung bekommt, mag für Leute aus der oberen Mittelschicht zutreffen. Doch auch diese werden einmal – wenn die Wohlhabenderen unter der gescholtenen Babyboomer-Generation ihre Vermögen vererben – die wohl größte Party ihres Lebens feiern. Die meisten Menschen aber werden das nicht tun können.

Jeff Bezos zählt zu den reichsten Menschen der Welt, die Arbeitsbedingungen bei seinem Onlineversandhandel Amazon stehen seit Jahren in der Kritik. Kein Zusammenhang?
APA / AFP / Daniel Leal-Olivas

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet die Agenda Austria dieser Tage mit Verve die Meinung vertritt, die Oxfam-Untersuchung sei nicht zu beachten, der Reichtum der Milliardäre habe nichts mit der weltweit zu beobachtenden Armut zu tun und die extreme globale Ungleichheit sei einfach so zu akzeptieren (siehe "Erfolge, die kaum einer kennt", 21.1.2020). Dass also Amazon-Boss Jeff Bezos Milliarden verdient, aber seine Arbeiter in Flaschen urinieren, weil Klopausen zum Jobverlust führen können, hat nichts miteinander zu tun. Und gleichzeitig sollen wir uns darüber den Kopf zerbrechen, dass jüngere Investmentbanker weniger verdienen als ihre älteren Kollegen? (Oliver Picek, 24.1.2020)