Jeden Tag schreiben die Userinnen und User bis zu 40.000 Postings im STANDARD-Forum. Darunter auch Uhtred, der anonym bleiben will, und seit 2011 immer wieder die Grenzen des Forums auslotet. Darüber diskutierte er zum 25-Jahr-Jubiläum im Podcast mit Chris Burger, Leiter des Community-Managements.

Die lange Version des Gesprächs gibt es im O-Ton, die gekürzte als Text:

STANDARD: Ist das Community-Management die Foren-Polizei?

Burger: Ja, wenn man es im guten Sinn auslegt, dass die Polizei auch präventiv arbeitet. Das heißt nicht Postings löschen und User sperren. Das machen wir erst, wenn wir anders nicht mehr vorankommen. Es geht darum, einen Rahmen sicherzustellen, in dem die User diskutieren wollen. Wir sind als STANDARD-Mitarbeiter erkennbar, das ändert oft schon das Klima. Und wir lenken die Debatte so, dass sie beim Thema bleibt, oder sprechen User an, die negativ auffallen.

STANDARD: Was ist im Forum nicht erlaubt?

Burger: Wir haben zehn Foren-Regeln. Kurz gesagt: alles, was gegen das Gesetz verstößt, Beleidigungen und Aussagen, die gegen einzelne Menschen oder Gruppen gerichtet sind. Am meisten haben wir mit sexistischen und rassistischen Postings zu kämpfen. Wenn wir öfter Postings löschen müssen, verwarnen wir den User. Kommt das öfter vor, sperren wir ihn.

STANDARD: Uhtred, du wurdest mehrmals verwarnt. Wieso?

Uhtred: Im Detail weiß ich das nicht mehr. Ich verstehe das meistens schon, wenn ich die Richtlinien durchlese. Aber ich bin kein Sexist oder Rassist und auch kein hasserfüllter Mensch. Ich bevorzuge die direkte Sprache, kitzle gern auch mein Gegenüber. Es kann schon mal hitziger werden.

STANDARD: Wann denn?

Uhtred: Beim Fußball, ich bin Austria-Fan. Ich poste auch zu anderen Themen, etwa im Web, in der Wissenschaft, im Lifestyle oder in der Innenpolitik – da gibt es auch extreme Postings. Und wenn mir da einer was schreibt, das mir nicht passt, antworte ich entsprechend. Das gefällt euch nicht immer. Damit kann ich leben.

Burger: Das letzte Mal hatten wir wegen zwei Postings einen negativen Kontakt: "Das sag mir live ins Gesicht, du Wichser, und du hast einen doppelten Kieferbruch."

Uhtred: (lacht) Es war klar, dass das kommt!

Burger: Oder, an einen Redakteur gerichtet: "Saufst du, du musst ja komplett im Eck sein." Das können wir nicht zulassen. Nicht bloß, weil wir die Betroffenen schützen möchten, sondern weil andere mitlesen und vielleicht nicht verstehen, dass das nicht ganz ernst gemeint ist. Pro Poster gibt es im Schnitt hundert User, die im gleichen Forum mitlesen. Oder die nicht diskutieren wollen, weil sich die Leute scheinbar nur die Köpfe einschlagen.

Uhtred: Ich verstehe absolut, dass die gelöscht wurden. Zum Kieferbruch sollte man das Ausgangsposting ins Spiel bringen, das gegen meine Familie ging. Das geht gar nicht.

User Uhtred (links) ist seit 2011 im STANDARD-Forum aktiv und möchte anonym blieben. Chris Burger leitet seit fünf Jahren das Community-Management beim STANDARD. Die beiden sind beim Streitgespräch nicht zum ersten Mal in persona aufeinandergetroffen, erzählen sie in der Langversion im Podcast.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Und das andere Posting?

Uhtred: Ich glaube, es war im selben Ticker, aber ich weiß es nicht mehr. "Saufst du?" – ja, das kommt schon mal vor. Ihr habt das gelöscht, verstehe ich. Aber ich glaube, der Tickerant hatte eine ruhige Nacht trotz des Postings, oder?

Burger: Das weiß ich nicht. Ich höre immer wieder von Redakteuren, dass sie das trifft – was konkret, kann sehr unterschiedlich sein. Das müssen wir ernst nehmen. Im Normalfall führen solche Postings zur Sperre, wenn es eine Vorgeschichte gab. Dabei berücksichtigen wir auch, wie lange jemand dabei ist, wie viele Postings tatsächlich gelöscht werden und ob das mehr oder weniger sind im Laufe der Zeit. Bei dir haben wir abgewogen, weil du mit dem Darts-Ticker auch Positives zur Community beiträgst. Deswegen haben wir dich nicht gesperrt.

Uhtred: Ich trenne auch klar zwischen User und Tickerant, wo ich sachlich bleibe, mich bewusst zurücknehme und auf keine sinnlosen Diskussionen einlasse. Das ist für mich eine Prinzipsache.

STANDARD: Was ist dein Beweggrund zu posten?

Uhtred: Das Thema muss mich interessieren. Ich habe kein Bedürfnis, täglich 30 Postings rauszuhauen. Wenn ich eine Meinung habe, die raus muss, sage ich sie. Es ist auch ein Ausgleich zum Alltag, angeregt zu diskutieren oder einfach nur mit Usern, die man schon lange kennt, zu plaudern.

Burger: Machst du da einen Unterschied zwischen Forum und direktem Gespräch mit anderen?

Uhtred: Nein. Wer mich kennt – und ich kenne viele User privat –, weiß, dass ich immer direkt bin. Ich finde, man sollte im Forum nichts schreiben, was man nicht auch privat sagen würde.

Burger: Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Poster, den du kennst, das gut und richtig aufnimmt. Aber die anderen vielleicht nicht.

Uhtred: Man sollte Sachen nicht zu persönlich nehmen und auch zwischen den Zeilen lesen. Da erkennt man oft, ob etwas ironisch oder sarkastisch gemeint ist. Oder einfach nur extrem in einer Form oder vielleicht dumm. Ich schaue mir auch die Posting-Historie an, um User einzuschätzen.

Burger: Das tun wir auch. Aber es fehlt trotzdem die Mimik, das sind Infos, die einem helfen zu verstehen, wie etwas gemeint ist. Deswegen kommt es zu vielen Missverständnissen, das sind nicht immer alles böse Menschen.

STANDARD: Um Hasspostings zu bekämpfen, wurde von der Vorgängerregierung eine Klarnamenpflicht diskutiert. Würdest du dich dann anders verhalten?

Uhtred: Ich frage mich, ob ich überhaupt weiterposten würde. Ich will ja nicht von jedem erkannt werden, etwa vom Arbeitgeber.

Burger: Man müsste in Kauf nehmen, dass Leute ihre Meinung nicht mehr sagen. Es wäre schade, das zu opfern, um eine marginale Wirkung gegen Hass im Netz zu erzielen. Wir als STANDARD glauben nicht, dass das ausreichend helfen würde. Auf Facebook sind viele mit Klarnamen aktiv, und dort gibt es viele Hasspostings. Die Anonymität hat nur einen kleinen Anteil daran, wie man sich verhält. Viel mehr zählt, dass man nicht weiß, was das Wort beim Gegenüber auslöst.

STANDARD: Wenn letztlich doch jemand gesperrt wird, kann sich die Person nochmal registrieren?

Burger: Wer gesperrt wird, kann sich mit seinem Account einloggen, aber keine Postings veröffentlichen. Natürlich kann man einen neuen Account anlegen, da braucht man nur eine andere E-Mail-Adresse. Das kommt auch immer mal wieder vor. Wir bemühen uns, diese Person möglichst rasch zu entdecken – auch mithilfe der Community – und sperren den neuen Account. Nach fünf, sechs Versuchen wird es den meisten aber zu blöd.

STANDARD: Würdest du dich noch einmal neu registrieren, wenn du gesperrt werden würdest?

Uhtred: Über kurz oder lang wahrscheinlich schon. Ich hatte auch schon einen anderen Account, das ist mein zweiter mittlerweile. So extrem bin ich auch wieder nicht: Mich gibt es schon fast das zehnte Jahr. (Selina Thaler, 27.1.2020)