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Vielen Eltern geht es zurzeit wie Al Pacino im dritten Teil von Der Pate. Da wähnt er sich als in die Jahre gekommenes Familienoberhaupt der Corleones endlich raus aus den Geschäften der Mafia, ist es aber nicht. "Just when I thought I was out, they pull me back in!" So ähnlich geht es Eltern seit Herbst mit dem zweiten Teil von Frozen, zu Deutsch Die Eiskönigin 2.

Als 2013 der erste Teil dieses lose an Hans Christian Andersens Märchen angelehnten Animationsfilms in die Kinos kam, trat er eine Lawine los. Im Kino wurde Die Eiskönigin – Völlig unverfroren ein Blockbuster und spielte 1,274 Milliarden Dollar weltweit ein. Die Kollateralsegnungen der Verwertungsindustrie haben das vervielfacht. Die Figuren Elsa, ihre Schwester Anna, der Schneemann Olaf, das Rentier Sven und der Same Kristoff eroberten über alle möglichen und unmöglichen Merchandise-Artikel die Lebenswelten der Zielgruppe unter 13.

Kitschinvasion

Frozen ist das Star Wars der Mädchen. Eine Kitschinvasion, die von der "hochwertigen Prinzessinnenperücke" über das Nachtlicht bis zum Kopfhörer, die Schultasche und, und, und reicht. Online-Shops geben seitenweise Produkte aus, wenn man den Suchbegriff Elsa oder Eiskönigin eingibt; in jedem Geschäft mit Kinderkram blicken einen das kühle Girl und ihre Gang käuflich an. Alltagskultur für Kids in full force.

Sechs Jahre später schien sich die Aufregung um die Heldin etwas gelegt oder ausgewachsen zu haben. Doch dann ging es wieder von vorn los: "They pull me back in!", wie Michael Corleone gesagt hat, bevor er einen Herzanfall erlitt.

Nervige Buben

Frozen 2 kam Ende November in die Kinos und ist drauf und dran, den Kult nicht bloß zu wiederholen. Immerhin ist er jetzt schon der elfterfolgreichste Film bisher, demnächst wird er auf Rang zehn steigen und The Avengers 2 verdrängen. Über 1,4 Milliarden Dollar hat er bereits eingespielt, die den Film begleitende Industrie läuft wieder auf vollen Touren.

Klassische Märchenfiguren wie Prinzessinnen mögen zwar bei den Kids hoch im Kurs stehen, Eltern vergehen angesichts der Rollenbilder solcher Geschöpfe aber regelmäßig. Doch diesbezüglich kann bei Frozen 2 Entwarnung gegeben werden. Elsas Wesen passt sich ihren Fähigkeiten an und ist ziemlich cool, ein unabhängiger Geist, selbstständig. Nervige Buben werden ignoriert oder, wenn das nicht hilft, mit Zauber kaltgestellt.

Zwar trägt sie der rollenkonform immer noch ein Kleid, doch selbst dessen Schnitt hat sich zart in Richtung Superheldinnen-Outfit verschoben. Es ist kein ausgewachsenes Tutu, sondern ein schlankes, schnörkelloses Teil. Sogar das Schuhwerk wurde vom gläsernen Zehenbrecher auf Stiefel downgegradet, quasi in Richtung Tank Girl verschoben. Dabei wirkt die schmallippige Heldin mit den obligatorischen Glupschaugen und der Wespentaille nicht gerade bedingungslos sympathisch – aber mit vier Gefährten ist für alle eine Identifikationsfigur dabei.

Moderne Parabel

Die Handlung selbst ist eine zeitgenössische Parabel: Elsa versucht, Verfehlungen ihrer Vorfahren gutzumachen. Ein künstlicher Eingriff des Menschen in die Natur in Form eines Staudamms ist das Problem. Der wurde zudem aus niedrigen Motiven errichtet. Elsas Mission ist das Gute. Kinder, deren moralischer Kompass noch funktioniert, fiebern mit, fühlen sich wie Komplizen. Elsa muss sich in einem verwunschenen Wald gegen Naturgewalten behaupten und kann diese für ihre Sache gewinnen. Hätte sie zwei Zöpfe statt einem, sie ginge als Greta durch.

Sehr traditionell geht es am Ende in Richtung Ehe. Doch nicht Elsa verlobt sich, sondern die brave Anna: mit Kristoff. Anna übernimmt das Königreich Arendelle, Elsa widmet sich dem Schutz des einst verwunschenen Waldes. Ein feministisches Märchen mit Happy End samt der Message des Umweltschutzes.

Die Fjorde von Hallstatt

Im wirklichen Leben jedoch hadern so manche mit Elsas Erfolg. Während Eltern von Märchenprinzessinnen sicher sein können, dass sich der Hype irgendwann legt und der Soundtrack sich ändert, der aktuell aus dem Kinderzimmer schmettert, müssen die Bewohner von Hallstatt gar mit Sanktionen auf die Fans von Elsa, Anna und Co reagieren.

Das Örtchen im oberösterreichischen Salzkammergut hat sich als Realvorlage von Arendelle herumgesprochen. Einem Faktencheck hält das nicht stand, Busladungen von Touristen ist das aber egal. Die dörfliche Idylle Hallstatts wurde ja sogar schon in China nachgebaut.

Tatsächlich wurde das Setting des Films von der Landschaft Norwegens und Bauten wie der Festung Akershus in Oslo inspiriert. Dasselbe gilt für die Fjorde oder den verwunschenen Wald, der Eröffnungssong des ersten Teils stammt von Frode Fjellheim, der die traditionelle Musik der indigenen Samen beleiht, insbesondere den Gesangsstil Joik.

Obergrenze für Busse

Ungeachtet dessen boomt Hallstatt als Beinahvorlage vor allem bei Touristen aus Asien. Auf rund 750 Hallstätter kommt eine Million Touristen im Jahr. Das ist dem Bürgermeister zu viel geworden. Zukünftig soll es eine tägliche Obergrenze für Busse geben sowie die etwas seltsame Auflage, eine Mindestzeit im Ort zu verbringen. Stichwort: Konsum.

Andernorts muss sich die Invasion Frozen keine Sorgen um Beschränkungen machen. Fasching ist’s, die Kostüme hängen bereit, sogar Halloween war schon artfremd von Frozen geprägt. Und die Frühjahrskollektionen einschlägiger Ketten bieten die vollständige Gala im Sinne der Firma Disney. Selbst im Sommer wird es nicht ohne die Eisprinzessin gehen. Eislutschen im Frozen-Bikini? Für viele Kids Daseinspflicht. (Karl Fluch, 25.1.2020)