Ein seltsames Pärchen im Haus für Mozart: die kleine Dame mit dem Vogel und das Strohwesen.

Foto: Lucie Jansch

Da wäre dieser lustige Herr, der ein bisschen an den Conférencier aus dem Musical Cabaret erinnert: "Willkommen and bienvenue, welcome!" – in der Traumfabrik Robert Wilsons, sagt er zwar nicht, Wilson lässt ihn jedoch als einzige Figur ausgelassen und leichtfüßig durch meditative Bilder schlendern. Er tanzt mit einem greisen Bartträger (Max Harris), dann wieder begegnet er einer aparten Dame, deren sittsam-opulente Robe an viktorianische Zeiten gemahnt (sehr prägnant Altistin Wiebke Lehmkuhl). Vielleicht würde sie der Conférencier, der keiner ist, gerne näher kennenlernen, aber das wird nie zu erfahren sein. Es gleitet die Inszenierung im Haus für Mozart schon zum nächsten Tableau, das später auch einen Raumfahrer zeigen wird. Gesäumt vom Chor tanzt er sich in Kreisbewegungen langsam Richtung Orchestergraben.

Es geht Wilson weder um das konkrete Deuten der religiösen Inhalte des Messias von Georg Friedrich Händel (in der Bearbeitung von Mozart) noch um das vollständige Durcherzählen seiner eigenen Geschichten. In einem leeren, von Lichtlinien begrenzten Raum regiert deutungsoffene Symbolik mit optischen Rätselpointen und Ritualen. Die Figuren sind zumeist Marionetten einer Fantasiewelt, deren Bilder kühle Poesie ausstrahlen und aus dem Messias sozusagen das Hoffnungsvolle nach und nach heller erstrahlen lassen.

Der Mann aus Stroh

Dynamische Aktionen sind vornehmlich dem impulsiven Tänzer (Alexis Fousekis) vorbehalten wie auch den Videos. Sie zeige ruhiges oder wildes Meer, lassen Eisblöcke vorbeischwimmen oder detonieren. Nur noch das märchenhafte Strohwesen kann hier mithalten, wenn es mit dem kleinen Mädchen spielt, auf dessen Hand ein Vogel ruht. Nach etlichen Wiederholungen einer pantomimischen Sequenz, bei der die junge Dame den sich nähernden Strohmann wegschubst, entschwebt sie auf dessen Strohrücken aus dem Bild.

Charmant auch manch ruhiger Moment: Im Schaufenster der Wilson-Ideen sitzt etwa ein Anzug ohne Mann, als würde er auf einen bestellten Kaffee warten. Eine surreale Pointe, die das Puppenhafte der Inszenierung minimalistisch auf den Punkt bringt – wie auch die seltsame Fee. Gemächlich gießt sie sich Wasser über ihr weißes Haar (tadellos Sopranistin Elena Tsallagova) oder gleitet mit einem kleinen Boot über die trockeneisbenebelte Bühne. Der statuarische König der Entschleunigung ist vielleicht aber dann doch der profunde Bass José Coca Loza, der trotz Koloraturen als eine Art Samurai (Kostüm: Carlos Soto) seine Kontenance wahrt.

Mozartkönner in seinem Element

Wilson entwirft in Summe, wie das eben seit ewigen Zeiten seine Art ist, einen atmosphärisch starken Assoziationsraum der figurenbewegten Ruhe. Auf Präzision angelegt, mag die Arbeit etwas hermetisch-selbstbezogen wirken. Sie befreit jedoch die Aufmerksamkeit auch im Sinne der Musikwahrnehmung – und es gibt Substanz zu hören: Dirigent Marc Minkowski, einst selbst künstlerischer Leiter der Mozartwoche, ist als historisch informierter Musiker und Mozartkönner hier in seinem gestalterischen Element.

Ohne Durchhänger vermittelt er eine vitale, schlanke Sicht der Partitur. Mit den Musiciens du Louvre und (mitunter) dem Philharmonia Chor Wien schafft er jederzeit eine stimmige Balance zwischen ruppiger Akzentuierung und jenem Klang der Melancholie, der Händels Kunst Pracht und Tiefe (hier samt Mozart-Würze) verleiht. Am berückendsten schwebt über dem Orchestralen aber doch der ausgelassene Herr, der sich mit seiner dezenten Quirligkeit profiliert. Tenor Richard Croft vereint glanzvoll Schönklang, Flexibilität und Klarheit der Koloraturen – in diesem Aquarium betörender Bilder, was immer diese auch bedeuten mögen. (Ljubiša Tošic, 24.1.2020)