Die "geschätzte Freundin" und der Präsident.

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Als Geschenk erhielt Merkel einen reich verzierten Spiegel. Was mit "fiskalisch erfasstem Ehrengut" später geschieht, hat das gleichnamige Magazin recherchiert.

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Gleich dreimal traf sich Angela Merkel am Freitag in Istanbul mit Tayyip Erdoğan. Das wichtigste konkrete Ergebnis: Die deutsche Kanzlerin erklärte sich bereit, den türkischen Präsidenten beim Aufbau von Notunterkünften an der syrischen Grenze zu unterstützen. Darüber hinaus würdigte sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz die große Anstrengung der Türkei für die Unterbringung von fast vier Millionen Flüchtlingen – sie werde bei der EU-Kommission dafür werben, dass auch zukünftig Mittel für die Türkei zur Flüchtlingshilfe bereitgestellt werden.

Am Morgen hatten Merkel und Erdoğan zunächst den, nach jahrelanger Verspätung, fertiggestellten Campus der deutsch-türkischen Universität in einem Vorort Istanbuls eingeweiht und eine Kooperation im Bildungssektor angekündigt. Nach einer Mittagspause traf Merkel Erdoğan dann erneut zu einem Vieraugengespräch und am Abend zu einem Diner in einer größeren Runde.

Deutsche Anerkennung

Das wichtigste Thema auf Merkels Liste war die Flüchtlingsfrage. Bereits am Morgen, bei der ersten Begegnung, setzte sie dabei den Ton: "Die Leistung der Türkei angesichts der Aufnahme von mehr als drei Millionen syrischer Flüchtlinge kann gar nicht hoch genug geschätzt werden", sagte sie neben einem zufrieden dreinblickenden Erdoğan. "Sie verdient Anerkennung und sollte unterstützt werden."

Das war genau das, was Erdoğan von seiner "geschätzten Freundin" hören wollte. Denn Erdoğan braucht in der Tat Unterstützung bei der Bewältigung der syrischen Flüchtlingskrise. Nach offiziellen türkischen Angaben leben derzeit 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge im Land, die angesichts der Wirtschaftskrise von immer mehr Türken – auch regierungsfreundlichen – als Belastung empfunden werden. Und es droht eine neue Flüchtlingswelle.

In Idlib, dem letzten Rebellenbezirk im Norden Syriens, rückt die syrische Armee mit russischer Unterstützung allen Waffenstillstandsabkommen zum Trotz immer weiter vor. Mit Bomben aus der Luft und massiven Artillerieangriffen wird die Zivilbevölkerung nach Norden, Richtung türkische Grenze, vertrieben. Zuletzt flohen 36.000 Menschen vor den Angriffen. Wie Erdoğan erklärte, seien bereits jetzt 400.000 Flüchtlinge auf der syrischen Seite der Grenze, sie würden dort von türkischen Hilfsorganisationen notdürftig versorgt. Für sie sollen feste Unterkünfte errichtet werden, an deren Finanzierung sich Merkel beteiligen will.

Versprechungen

Erdoğan drohte in der Vergangenheit mehrfach damit, Flüchtlinge nach Europa weiterzuschicken, wenn nicht mehr finanzielle Unterstützung komme. Die EU lehnt allerdings bisher eine Erhöhung der bereits zugesagten sechs Milliarden Euro ab. Merkel sagte nun zu, sich dafür einzusetzen, dass auch längerfristig und über die sechs Milliarden hinaus Geld aus der EU fließen soll.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan freute sich sichtlich über die Bemühungen der "geschätzten Freundin" Angela Merkel, mehr Geld für die Flüchtlingsfrage auftreiben zu wollen. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 25.1.2020)