An der Börse kommen mitunter auch Experten wie Robert Halver von der Baader Bank ins Schwitzen. Mit Zertifikaten können Anleger dem Kapital einen Schutzschirm verpassen.
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Untätigkeit kommt auf Dauer teuer zu stehen – diese Erkenntnis dämmert inzwischen selbst hartgesottenen Sparbuchfans. Trotz der Minizinsen für auf dem Sparbuch veranlagtes Geld sind in den vergangenen zehn Jahren aus 100 Euro zwar etwa 105 Euro geworden, unter Berücksichtigung der Inflation entspricht dies aber nur einer Kaufkraft von rund 85 Euro. "Damit haben Anleger, die ja nichts verlieren wollen, einen substanziellen Verlust gemacht", sagt Heike Arbter, Zertifikateexpertin und Vorstand der Raiffeisen Centrobank. "Daher sieht man eine Entwicklung hin zu Wertpapieren."

Davon profitiert auch der Markt für Investmentzertifikate, der in Österreich in den vergangenen vier Jahren um fast die Hälfte auf das derzeitige Rekordvolumen von 15,1 Milliarden Euro geklettert ist. Zertifikate können bei entsprechender Ausgestaltung das Risiko gegenüber einem direkten Engagement am Aktienmarkt deutlich verringern, eignen sich also gut für die ersten Schritte von sicherheitsbedürftigen Sparern auf dem glatten Börsenparkett. Genau solche Produkte werden auch besonders stark nachgefragt, berichtet Arbter – und zwar auch von neuen Anlegerschichten, die dem Kapitalmarkt zuvor den Rücken kehrten.

95-prozentiger Schutz

Konkret geht es um Zertifikate mit teilweisem Kapitalschutz. Etwas aus der Mode gekommen ist zuletzt nämlich der vollständige Kapitalschutz. "Produkte zu 100 Prozent abzusichern wird kaum noch praktiziert", sagt Arbter, aus dem einfachen Grund, dass Garantien wegen der Nullzinsphase wesentlich teurer geworden seien als zuvor. Daher müssen sich Anleger damit begnügen, dass zumeist nur 95 oder 90 Prozent des eingesetzten Kapitals gegen Verluste abgesichert sind.

Viel Geld ist dabei in Zertifikate mit Aktien oder Indizes als Basiswerten geflossen, die letzten Endes auch die Ertragskomponente der Zertifikate darstellen. Dabei waren besonders Bonuszertifikate, bei denen bei Eintritt oder auch Nichteintritt eines gewissen Ereignisses Anleger einen Bonus einstreifen können, sowie Expresszertifikate, bei denen unter bestimmten Bedingungen eine vorzeitige Rückzahlung möglich ist, gefragt. Beide Kategorien, die üblicherweise mit einem Teilkapitalschutz versehen sind, erzielten 2019 Volumenzuwächse von mehr als 40 Prozent, geht aus Zahlen des Zertifikate Forums Austria hervor.

Weniger im Rampenlicht der Anleger standen sogenannte Aktienanleihen mit einem bloß einstelligen Volumenzuwachs. Bei diesen kann in der Regel der Emittent am Laufzeitende das Zertifikat entweder durch Rückzahlung des Nominalbetrags tilgen oder dem Anleger eine vorher festgelegte Anzahl bestimmter Aktien andienen. Nur hauchzarte Zuwächse erzielten Zinsprodukte wie strukturierte Anleihen. Das sind verzinsliche Wertpapiere mit individuellen Gestaltungsmerkmalen betreffend Zins- und Rückzahlung.

Je kürzer, desto riskanter

Zertifikate haben üblicherweise eine Laufzeit von etwa fünf Jahren. Wobei Arbter zufolge folgende Daumenregel besteht: je kürzer die Laufzeit eines Produkts, desto höher das Risiko. Wirklich hochspekulativ sind sogenannte Hebelprodukte, deren Wert sich stärker verändert als der zugrunde liegende Basiswert. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Nische, gerade einmal 1,5 Prozent des Gesamtvolumens von Zertifikaten fallen in diese Kategorie.

Zu beachten gilt es bei Zertifikaten stets auch das Emittentenrisiko, also dass die ausgebende Bank während der Laufzeit in die Pleite schlittert. Dass es sich dabei nicht nur um ein theoretisches Risiko handelt, zeigt die Lehman-Pleite. Besonders in Deutschland hatten Anleger über deutsche Institute Papiere der insolventen US-Bank erworben. Dieser Imageschaden hat dem deutschen Markt stark zugesetzt, dessen Volumen sich seit der Finanzkrise etwa auf 70 Milliarden Euro halbierte. (Alexander Hahn, 25.1.2020)