Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck besuchten eine Wiener Bäckerei.

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Die halbe Regierung und Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer sind diese Woche ausgeschwärmt, um die Werbetrommel für die Lehre zu rühren. Neben Videospots dazu, wie toll eine Lehre sein kann (#schaffenwir), soll es eine gesetzliche Aufwertung der Ausbildungsform geben. Dazu gehört, dass der Meistertitel künftig in öffentlichen Dokumenten eingetragen werden darf.

Das ist alles nett, zeigt aber vor allem eine dramatische Schieflage in der öffentlichen Debatte über das Thema. Über Lehrlinge wird in Österreich fast ausschließlich unter arbeitsmarkt- und standortpolitischen Gesichtspunkten diskutiert. Wie können wir Fachkräfte für morgen gewinnen, ist dabei die zentrale Frage. Dass die ganze duale Ausbildung bildungspolitisch in den 1950er-Jahren steckengeblieben ist, wird kaum thematisiert. Dabei müsste hier ansetzen, wer die Lehre wirklich attraktivieren will.

Ein paar Beispiele: Wer eine Lehre mit 15 beginnt, hat de facto eine 40-Stunden-Woche plus anfallende Überstunden. In Wien verbringen die Lehrlinge zumindest einen Teil dieser Zeit, meist einen Tag, in der Berufsschule. In den westlichen Bundesländern, wo der Unterricht oft geblockt stattfindet, sind die Jugendlichen monatelang tagein, tagaus in der Fabrik oder im Betrieb. Während 15-jährige Gymnasiasten zwei Monate im Sommer frei haben, sich über Semesterferien und schulautonome Tage freuen, haben gleichaltrige Lehrlinge im Regelfall Anspruch auf gerade einmal fünf Wochen Urlaub. Das alles sind unnötige Härten.

Viele Versäumnisse

Dass die Debatte einseitig geführt wird, ist auch ein mediales Versäumnis: Wenn über Bildungspolitik berichtet wird, geht es in Österreich um Volksschulen, AHS und Mittelschulen, nie um Berufsschulen. An ihrer fehlenden Bedeutung kann es nicht liegen: 40 Prozent der 15-Jährigen besuchen derzeit eine Berufsschule, für keine andere Schulform entscheiden sich so viele Jugendliche. Dabei gibt es viele Baustellen in den Berufsschulen. In AHS dürfen nur in ihren Fächern ausgebildete Lehrer unterrichten. In Berufsschulen ist das anders: Da kommt es schon einmal vor, dass ein Bäckereimeister Englisch lehrt, weil sich sonst niemand findet. Hinzu kommt, dass in Berufsschulen nach wie vor oft stundenlang Frontalunterricht stattfindet.

Notwendiger als PR-Kampagnen braucht die Lehrlingsausbildung eine pädagogische Reform. Mehr Freizeit, modernere Formen des Unterrichts, mehr Zeit in der Schule, weniger im Betrieb wären ungefähre Leitlinien dafür. (András Szigetvari, 24.1.2020)