Nehammer: Seenotretter dürften nicht das Geschäftsmodell der Schlepper erfüllen.

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Berlin/Brüssel – Die Marinemission "Sophia" wird vorerst nicht wieder gestartet. Die Pläne für eine Wiederbelebung der EU-Mittelmeer-Mission zur Überwachung des Waffenembargos in Libyen scheiterten am Freitag insbesondere an Österreich und Italien, wie die deutsche Zeitung "Welt" unter Berufung auf hohe EU-Diplomaten berichtete. Das Außenministerium bestätigte die Angaben laut einem ORF-Radiobericht vom Samstag.

Aus EU-Diplomatenkreisen sind am Samstag jedoch die Medienberichte zurückgewiesen worden: Die EU-Staaten hätten sich bisher nicht auf einen Neustart der Marinemission "Sophia" einigen können, wurde erklärt. Am Dienstag solle aber erneut beraten werden. Die EU-Mittelmeer-Mission zur Überwachung des Waffenembargos in Libyen sei am Freitag von den Botschaftern im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) der EU besprochen worden, sagte am Samstag ein EU-Diplomat in Brüssel der Nachrichtenagentur AFP. Dabei habe es keinen Beschluss gegeben.

Schallenberg: Gegen Pull-Faktoren

Eine Sprecherin von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hielt zuvor am Samstag in einer Stellungnahme dazu fest: "Österreich befürwortet eine aktive Rolle der EU zur Unterstützung der Bemühungen in Libyen, ist aber bekanntlich gegen eine Wiederaufnahme von Maßnahmen, die neue Pull-Faktoren für Migrationsbewegung über das Mittelmeer schaffen."

Schallenberg hatte sich schon am Montag gegen eine Wiederaufnahme der EU-Anti-Schlepper-Marinemission "Sophia" ausgesprochen. Im Ö1-Mittagsjournal vom Samstag hieß es unter Berufung auf das Außenministerium zudem, es werde an einer neuen Mission gearbeitet, welche die Einhaltung des Waffenembargos gegen Libyen kontrollieren solle.

Langer Weg zum Waffenstillstand

Die EU diskutiert derzeit auf technischer Ebene Möglichkeiten zur besseren Implementierung des Waffenembargos. Österreich und einige andere Partner haben eine Verstärkung der Überwachung in der Luft und auf Land vorgeschlagen. Die Diskussionen auf Beamten-Ebene dauern noch an. Ziel ist jedenfalls, dass aus der volatilen Waffenruhe ein langfristiger Waffenstillstand wird.

Die Entscheidung trafen die zuständigen EU-Botschafter im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der EU bei einer außerordentlichen und geheimen Sitzung. Mehrere weitere Länder, wie Griechenland und Ungarn, hätten demnach ebenfalls Bedenken an einem Neustart von "Sophia" gezeigt. Für die Wiederbelebung der EU-Mittelmeer-Mission wäre eine einstimmige Entscheidung notwendig gewesen.

Österreichische Regierung soll mehr Geflüchtete befürchten

Als Grund für ihre Ablehnung nannte die österreichische Bundesregierung laut "Welt", dass durch die Rettung von Geflüchteten, die notwendigerweise mit einer Aussendung von EU-Schiffen und der Überwachung des Waffenembargos einhergehen würde, ein vermehrter Zustrom von Geflüchteten zu befürchten sei. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte bereits beim informellen Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Freitag in Zagreb betont, dass die Bekämpfung von Waffenschmuggel, wie bei der Neuausrichtung von "Sophia" angedacht, ganz wichtig sei.

Nehammer war es auch, der am Freitag betonte, es wäre am besten, im Mittelmeer aus Seenot gerettete Menschen nach Libyen zurückzubringen. Österreich sei außergewöhnlich belastet, seit 2015 seien 200.000 Asylanträge gestellt worden, die abgearbeitet würden. "Wir haben schon und leisten nach wie vor einen hohen Beitrag", betonte er und forderte eine Stärkung des Außengrenzschutzes und eine Aufstockung der EU-Grenzschutzbehörde forderte. Es gehe darum, "geschlossen den Kampf gegen die illegale Migration und gegen die Schlepperei" zu führen.

Italien wiederum machte geltend, dass nur eine Überwachung des Waffenembargos auf See allein nicht ausreiche. Erforderlich sei vielmehr auch eine intensive Überwachung der Land- und Luftwege. Mehrere Staaten hatten sich zuvor für die Wiederbelebung der Militärmission ausgesprochen, darunter auch Deutschland.

Streit zwischen Ost und West

Seit April 2019 ist die EU nicht mehr mit Schiffen im Rahmen von Sophia im Einsatz, sondern beschränkt sich nur noch auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Grund dafür ist, dass die EU-Staaten sich nicht auf ein System zur Verteilung Geretteter einigen konnten. Der "Sophia"-Einsatz hatte ab 2015 zehntausende Flüchtlinge aus Seenot gerettet und nach Europa gebracht. So müsste bei einem Neustart auch die Flüchtlingsaufnahme und -verteilung geklärt werden. Insbesondere osteuropäische Länder lehnen beides bisher kategorisch ab. (APA, red, 25.1.2020)