Die Heldenverehrung ist dem 1856 als "Waffenmuseum" eröffneten HGM architektonisch eingeschrieben. Kritische Kontextualisierung, etwa zu den 56 Figuren der zentralen Feldherrenhalle, sucht man aber vergeblich.

Foto: Heeresgeschichtliches Museum

Es knirscht im Heeresgeschichtlichen Museum. Und zwar nicht mehr nur auf den kaputtgetrampelten Parkettböden der Ausstellungsräume, auch im personellen Gebälk des Hauses. Seitdem im vergangenen September eine Reihe an Vorwürfen gegen die Führung des HGM laut wurde, ist diese medial auf Tauchstation. Der Vertrag von Direktor Christian Ortner soll im Frühjahr vorerst nicht mehr verlängert werden, und die jahrzehntealte Debatte um eine notwendige Neuaufstellung des Militärmuseums ist wieder voll entfacht.

Am Freitag hielt im Arsenal, jenem nach 1848 geschaffenen Militärkomplex, in dem das HGM untergebracht ist, die Initiative "HGMneudenken" eine wissenschaftliche Tagung mit künstlerischem Begleitprogramm ab – vom HGM wurde sie geduldet, mehr aber auch schon nicht.

Organisiert wurde die gutbesuchte Veranstaltung von der Autorin und Kulturwissenschafterin Elena Messner und dem Filmemacher Nils Olger: beide Vertreter einer jüngeren Generation, die Geschichtspolitik nicht mehr als Spielwiese von Parteiideologien hinnehmen will, sondern evidenzbasierte Herangehensweisen vorzieht. Die Tagung glänzte demnach trotz des aktionistischen Hintergrunds vor allem mit ihrem konstruktiven Grundton. Über 30 Historiker, Politologen und Künstler, die sich schwerpunktmäßig mit Erinnerungskultur beschäftigen, waren der Einladung gefolgt.

Rechte Umtriebe im HGM

Der Historiker Peter Pirker gab einen ersten Problemaufriss, indem er daran erinnerte, welch zentrale Rolle das HGM in den 1950er- und 1960er-Jahren bei der "Reheroisierung" der Ehemaligen gespielt hatte. So zeigte Pirker etwa einen Buchbeitrag des damalige HGM-Direktors Christoph Allmayer-Beck*, in dem dieser die "hervorragende soldatische Leistung der Österreicher in der deutschen Wehrmacht" lobte.

Ein Geschichtsbild, dem Teile der HGM-Veratwortlichen und seines Publikums noch immer zu folgen scheinen. Denn der Politologe Sebastian Reinfeldt und der frühere Grünen-Politiker Karl Öllinger stellten anschließend Recherchen vor, die das HGM aktuell beschäftigen: Der Vertrieb von Wehrmachtsreplika und rechtsextremer Literatur im Shop und bei Veranstaltungen; das politisch motivierte "Reinwaschen" von Wikipedia-Artikeln wie jenem über den NS-Propagandamaler Otto Jahn durch einen leitenden Mitarbeiter, der einer weit rechts stehenden Burschenschaft angehört; oder die Besuche des Chefs der Identitären, Martin Sellner, und des rechtsterroristischen Attentäters von Christchurch im HGM.

"Projektionsfläche für Militaristen..."

Das Museum biete heute mehr denn je eine "Projektionsfläche für Militaristen, Monarchisten und Rechtsextreme", so Öllinger. Worin das grundsätzliche Problem des HGM besteht, darin waren sich alle Tagungsteilnehmer einig: Eine riesige Menge an historisch zweifellos hochinteressanten Objekten werde großteils völlig unkontextualisiert präsentiert.

So wird ein NS-Propagandagemälde des oben erwähnten Otto Jahn gänzlich ohne kritische Einbettung ausgestellt. "Die Objekte wirken wie die Requisiten eines Stücks, dessen Text nicht vorgegeben ist", lautet ein vielzitierter Befund zum Zustand des Hauses. Dabei wollen die Kritiker Objekte weder verstecken noch abhängen, man wünscht nur, dass erklärt wird, warum man sie ausstellt.

Manfried Rauchensteiner, Direktor des HGM von 1992 bis 2005, der im Gegensatz zu seinem Nachfolger zu der Veranstaltung erschien, meinte, er habe in seiner Zeit einen "erfolglosen Kampf um eine Neuausrichtung" geführt, es sei vor allem am Geld und Unwillen der Politik gescheitert.

"Parallelwelt" und "Skandal"

Tatsächlich ist ein HGM-Direktor nicht gerade mit Freiheiten gesegnet. Als letztes Museum in Bundesverwaltung untersteht der HGM-Chef direkt dem Verteidigungsministerium, dazu kommt der Einfluss diverser Lobbys: Militärs, Monarchisten, Kameradschaftsbund, politiknahe Vereine von konservativ bis rechts.

Das "Geldargument" ist vielen Kritikern aber zu bequem. Denn in den vergangenen Jahren hätte man sich Sonderausstellungen oft bis zu sechs Millionen Euro kosten lassen, und bei Events würde man Panzer im Kreis fahren lassen, die zudem ständig betankt sein müssen, damit sie nicht durchrosten. "Ja, es gibt wenig Geld. Aber das, was es gibt, wird auch noch falsch ausgegeben", kritisierte Öllinger.

Die frühere Chefkuratorin des Jüdischen Museums, Felicitas Heimann-Jelinek, und der Politologe Walter Manoschek zeigten sich bei der Tagung "entsetzt" und "schockiert" nach ihren Rundgängen durch das HGM: Es sei "eine Parallelwelt", "ein Skandal" – von der Forschung, die in den letzten 30 Jahren passiert ist, finde sich "null". "In Deutschland würde so etwas nach ein paar Monaten zugesperrt", so Manoschek.

Auch Militärs kritisch

Nicht ganz so alarmiert, aber ebenfalls kritisch äußerten Hubertus Trauttenberg und Gerhard Vogl, hochrangige Militärs in Ruhe, ihre Meinung. Sie lobten die gesetzten Maßnahmen von Übergangsminister Thomas Starlinger, der breitangelegte inhaltliche Evaluierungskommissionen einsetzte.

Ein Rechnungshofbericht zum HGM, der wohl im Frühjahr vorliegen wird, soll dem Vernehmen nach auch wirtschaftlich ein desaströses Bild zeichnen. Der Direktorenposten, heißt es, werde ebenfalls im Frühjahr neu ausgeschrieben. Theoretisch könnte sich dann auch Ortner erneut bewerben. Dass aber ausgerechnet ihm eine Neuaufstellung des Hauses gelingen sollte, daran haben die Kritiker ihre Zweifel.

Ihrerseits will die Initiative HGMneudenken jedenfalls weitermachen: Sie fordert Handlungen von der Politik und hofft, die nächste Tagung nicht mehr nur über das HGM, sondern mit diesem gemeinsam veranstalten zu können. Keine Kriegserklärung, sondern die kritische Handreichung ist das Ziel der Initiative. (Stefan Weiss, 27.1.2020)