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Billie Eilish ist die große Gewinnerin der 62. Grammys.

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Die Grammys haben immer ein bisschen etwas von einer sehr langen recht unangenehmen Mundhygiene – als hätte man 84 Zähne, denn in so vielen Kategorien werden sie vergeben. Außerdem sind sie immer noch recht weiß, wobei sich im 62. Jahr der Vergabe der in ihrer Bedeutung umstrittenen Musikpreise ein bisschen hinsichtlich der geforderten Diversität getan hat. Die meisten, nämlich acht, Nominierungen konnte die quirlige Melissa Jefferson alias Lizzo für sich verbuchen, der mit ihrem Album "Cuz I love you" voriges Jahr der Durchbruch gelang. Jeweils sechs Nominierungen erhielten zwei Gesandte der Generation Z, nämlich Billie Eilish und Lil Nas X.

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Alle drei, so unterschiedlich sie auch sind, stechen nicht nur wegen ihrer Musik heraus, sie kämpfen auch gegen vorherrschende Normen, Rollen- und Körperbilder. Lizzo als Aktivistin für Bodypositivity, der charterobernde Flüster-Grufti Eilish und der schwule Sonnenschein Lil X Nas, der aus den Zutaten Country, Rap und einem Nine-Inch-Nails-Sample mit "Old Town Road" den unerwartetsten Hit des Jahres 2019 gezaubert hat. Taylor Swift, das klassische Gegenbeispiel, musste sich dieses Jahr mit drei Nominierungen begnügen und bleib der Zeremonie, die bereits im Vorhinein für Zores gesorgt hatte, fern.

Eine abgesägte Präsidentin und ein Todesfall

Manche munkeln, dass das aus Solidarität mit Deborah Dugan geschah, der ersten weiblichen Präsidentin der Recording Academy, die die Grammys vergibt. Dugan, die eingesetzt worden war, um die Grammys auf "Vorderfrau" zu bringen – sie war mit der Ansage angetreten, die Grammys diverser und inklusiver zu gestalten – waltete nur fünf Monate ihres Amt, bevor sie freigestellt wurde. Dugan behauptet, man hätte sie loswerden wollen, weil sie Fehlverhalten aufgezeigt hatte (von ungerechtfertigten Nominierungen bis zu sexueller Belästigung); die Akademie weist die Vorwürfe zurück und darauf hin, dass Dugan zuvor selbst von einer Kollegin des Mobbings bezichtigt wurde.

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Tyler, The Creator herzt die Mama. Er hat soeben seinen ersten Grammy für das beste Rap-Album des Jahres gewonnen. Verdient!
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Ein anderes Ereignis überschattete den Abend der Verleihung aber noch mehr als die Kontroverse um Dugan: Der unerwartete Tod der Basketball-Legende Kobe Bryant, der am Vormittag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Dass die Grammy-Show im Staples Center von Los Angeles stattfand, der Halle, in der auch Spiele von Bryants früherem Team, den Lakers, ausgetragen werden, tat sein Übriges zur schwermütigen Stimmung dieser sogenannten "biggest night in music".

Querflötensolo

Moderatorin Alicia Keys bemühte sich zwar redlich einen Weg zwischen respektvoller Zurückhaltung und Entertainment zu finden, musste aber an dieser unmöglichen Aufgabe scheitern. Zu den Höhepunkten bei den Auftritten zählte ein ins Feuer fallender Tyler, The Creator, Lizzo mit ihrem Querflöten Solo, H.E.R. mit ihrem Gitarren Solo, eine sehr nah am Wasser gebaute Billie Eilish und Lil X Nas, der neben einer Armada an Stars am Schluss auch noch den richtigen Nas auf die Bühne holte.

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Lizzo flötete queer.
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Außergewöhnlich schlecht war Ushers Prince-Hommage mit einer Pole-Stange tanzenden FKA Twigs, die – bei allem Respekt für ihre Fähigkeiten als Tänzerin – schon mal den Mund hätte aufmachen können.

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Wenig zeitgemäß: FKA Twigs räkelt sich bei der Prince-Hommage an Usher, hat aber sonst nicht viel zu melden.
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Immer wieder durchzog den Abend ein leichter Hauch an Trump-Kritik, gesprochen und gesungen; geweint wurde jedenfalls öfter, Sharon Osbourne wurde beim Aussprechen einiger Rapper-Namen reizend kreativ. Billie Eilish gewann in fünf Kategorien: "Record of the Year", "Song of the Year", "Album of the Year", "Best New Artist" sowie "Best Pop Vocal Album".

Grammy an Michelle Obama

Ihr Bruder Finneas steuert auch noch einen Grammy für den Familienkaminsims bei. Er gewann als zum ersten Mal Nominierter doch in der Kategorie "Producer of the Year, Non-Classical". Weitere wichtige Kategorien gingen an Lizzo, Lil Nas X und Tanya Tucker. Lana Del Rey, die sich für "Norman Fucking Rockwell" einen Preis verdient gehabt hätte, Ariana Grande und Taylor Swift gingen leer aus. Michelle Obama durfte sich über einen Grammy für die Audiobook-Version ihrer Autobiografie "Becoming" freuen. (Amira Ben Saoud, 27.1.20)