Es war der 12. April 2014. Der damals 36-jährige Kobe Bryant geht gegen die Golden State Warriors nach einem Foul zu Boden und greift sich an die linke Ferse. Achillessehnenriss. Wo andere nicht mehr aufstehen können, hievt sich Bryant hoch und versenkt noch die beiden Freiwürfe, ehe er ausgewechselt werden muss. Eine Situation, die symbolisch ist für seinen Ehrgeiz und die Unerbittlichkeit mit sich selbst.

Kobe Bryant kam am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz in Calabasas (Kalifornien) ums Leben. Bei dem Unglück starben insgesamt neun Personen, darunter auch Bryants 13-jährige Tochter Gianna. Bryant, der von seinen Eltern, nach einer japanischen Hafenstadt benannt wurde, gewann als Profibasketballer fünf NBA-Titel. Sein Spiel war eine Art Lebensschule für seine Bewunderer. Alles geben, keine Ausreden suchen. Es gibt keinen "easy way" zum Erfolg.

Keine 24 Stunden vor seinem Tod gratulierte Bryant per Twitter LeBron James, als dieser ihn von Platz drei in der Liste der besten Werfer in der NBA-Geschichte verdrängt hatte. Kobe Bryant erzielte 33.643 Punkte in seiner 20-jährigen Karriere, der noch immer aktive LeBron James hält bei 33.655 Punkten. Zwei Menschen, ohne die man die Geschichte dieses Sports einfach nicht erzählen kann. Nun hat die Welt einen Giganten verloren.

Nur wenigen Sportlern gelingt es, sich zu verewigen. Kobe Bryant lieferte gleich mehrere Höhepunkte für die Ewigkeit. 2006 erzielte der 1,98 Meter große Bryant für die Los Angeles Lakers 81 Punkte gegen die Toronto Raptors, die zweithöchste Wurfausbeute in einem Match aller Zeiten. Mehr schaffte nur Wilt Chamberlain: 100 Punkte im Jahr 1962. Und das war eine andere Zeit. Gegen die Dallas Mavericks machte Kobe einmal in drei Vierteln 62 Punkte. Das gesamte Dallas-Team hatte bis dahin nur 61 geschafft. Er wurde zu einer Legende, deren tragischer Tod die Sportwelt erschüttert.

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Kobe Bryant, 1978–2020.
Foto: REUTERS/Lucy Nicholson

Nicht nur während seiner Karriere ließ sich Bryant in hunderten Hubschrauberflügen durch Südkalifornien transportieren. "Es gibt manche Dinge, die man einfach nicht verpassen darf", sagte Bryant dem US-amerikanischen Sportkanal ESPN: "Wie das Basketballspiel meiner Tochter. Was, wenn ich ihren ersten Korb verpasse?" Bryants beim Absturz ebenfalls verunglückte 13-jährige Tochter Gianna wollte als Basketballspielerin in seine Fußstapfen treten. Der Vorfall ist eine Familientragödie. Mit Ehefrau Vanessa war Bryant seit 2001 verheiratet, zurück bleiben auch die Töchter Natalia Diamante (17 Jahre), Bianka Bella (drei Jahre) und Capri (sieben Monate).

Bryant musste immer hart für seinen Erfolg arbeiten, seine Besessenheit ist durch zahlreiche Geschichten öffentlich bekannt geworden. So stellte er sich mitten in der Nacht einen Sessel in die Halle, um stundenlang an Sprungwurf und Dribbling zu arbeiten. Oder perfektionierte nach einer Verletzung seiner rechten Wurfhand einfach die linke. Bryants Aufstieg war ein steiler in seinem nur 41 Jahre dauernden Leben. Mit seinem Vater Joe Bryant lebte er als Kind in Italien, schaute sich viel vom europäischen Spiel ab. Als 16-Jähriger war er ein Highschool-Phänomen in Philadelphia, mit 18 der jüngste Spieler der NBA-Geschichte, der in einem Spiel in der Startformation stand. Und er wurde zum legitimen Nachfolger von Michael Jordan, dem "GOAT" (Greatest Of All Time). "Worte können den Schmerz nicht ausdrücken, den ich fühle", ließ Jordan am Sonntag über seine Sprecherin mitteilen. "Ich habe Kobe geliebt – er war wie ein Bruder für mich."

Bryant verpasste sich im Verlauf seiner Karriere den Spitznamen "Black Mamba". Mit höchster Geschwindigkeit und höchster Präzision arbeiten, so beschrieb er sein Credo in seinem Buch "Mamba Mentality". Das reichte für fünf NBA-Titel und zwei Olympia-Goldmedaillen mit den USA. "Ich werde mich immer daran erinnern, wie ich nach Spielen nach Hause gekommen bin, um zu sehen, wie du das vierte Viertel dominierst. Du hast so viele rund um die Welt inspiriert, mich eingeschlossen", sagte ein geschockter Dirk Nowitzki.

In seinem Erfolg blieb er stets loyal: 20 Jahre spielte er bei ein und demselben Verein, den Los Angeles Lakers. In seinem letzten Spiel lief er noch einmal heiß, scorte, obwohl körperlich bereits gezeichnet (Knöchel, Knie, die Finger schauten in alle Richtungen), 60 Punkte. Nicht nur seine Gegenspieler wurden an seinem Egoismus aufgerieben. Mit seiner kompromisslosen Art machte er sich mehr Feinde als Freunde, respektiert wurde er von seinen Gegenspielern aber immer. Mit Shaquille O'Neal holte er drei Titel in Folge, ging danach aber mit dem 150 Kilo-Mann im Streit auseinander auch weil Bryant eine Rolle als Nummer zwei in einem Team nicht akzeptieren wollte. Man hat sich längst versöhnt. So hart er zu seinen Mitspielern war, so hart war er auch zu sich selbst. Einen ausgerenkten Mittelfinger ließ er sich während einer Partie gegen die San Antonio Spurs einrenken, spielte weiter und scorte 25 Punkte. Zu zwei weiteren NBA-Titeln trug er die Lakers fast im Alleingang.

Nach der Verehrung kam die Verachtung und dann wieder die Verehrung. Abseits des Spielfelds kam Bryant 2003 in die Schlagzeilen, als ihn eine 19-Jährige der Vergewaltigung beschuldigte. Nach einer Schmutzkübelkampagne durch Bryants Anwälte einigte man sich mit der Frau außergerichtlich, es kam zu keiner Anklage. "Es bleibt eines der verstörendsten Beispiele, wie Macht, Prominenz und Geld auf ein Vergewaltigungsopfer einwirken können", schrieb der Journalist Will Leitch im "New York Magazine".

Eine letzte, große Trophäe gewann Bryant in seinem Leben noch. 2018 wurde sein Werk "Dear Basketball" mit dem Oscar für den besten Animationskurzfilm ausgezeichnet. Darin brachte Bryant seine Liebe zum Basketball zum Ausdruck. Eine Liebe, die ihn bis zuletzt nie losließ. (Florian Vetter, 27.1.2020)