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Leuchtturmprojekte, das ist ein von den Grünen gern strapazierter Begriff. Anfang Jänner publizierten sie die ihren im Regierungsprogramm auf ihrer Website: in unterschiedlichen Kategorien von "Staat, Gesellschaft & Transparenz" bis "Tierschutz", 60 an der Zahl. Kein einziges davon fällt in den Bereich von Kunst und Kultur.

Vorerst. Manch ein Ansatz klingt vielversprechend. Etwa die arbeitsrechtliche und soziale Absicherung von Kulturschaffenden, die Ulrike Lunacek als designierte Kulturstaatssekretärin beständig erwähnt. Ab Mittwoch ist sie in Amt und Würden. Dann geht es an die Entwicklung von Strategien zur Umsetzung. Etwa in einem Fachbereich, der sich, trotz eklatanter historischer Versäumnisse, im Laufe der Jahre rückblickend zu einem Leuchtturm gemausert hat: das Themensegment Kunstrückgabe und Provenienzforschung. Denn hier bedarf es einer Nachbesserung. Aber der Reihe nach.

Faire Lösungen

22 Jahre sind seit der Verabschiedung der Washingtoner Erklärung vergangen. 44 Staaten verpflichteten sich seither, Kulturgut, das während der NS-Zeit entzogen worden war, ausfindig zu machen, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden und Schritte zu setzen, um zu "fairen und gerechten Lösungen" zu gelangen.

Rechtlich bindend war diese in elf Grundsätzen formulierte Vereinbarung allerdings nicht. Sie wurde von den Ländern mit unterschiedlichen Regelunge,n teils aber bis heute auch gar nicht umgesetzt. Mit dem Kunstrückgabegesetz, der systematischen Erforschung der Bestände in öffentlichen Sammlungen und tausenden Rückgaben erwies sich Österreich am Ende so konsequent wie keine andere Nation.

Aktenberge bis 1933

Das Werkel läuft, zumindest auf Bundesebene, wie geschmiert. Unter der Leitung der im Bundeskanzleramt angesiedelten Kommission wühlen sich Provenienzforscher zu den Erwerbungen seit 1933 durch Aktenberge in Archiven und fassen ihre Erkenntnisse in Dossiers zusammen, die dann dem Kunstrückgabebeirat vorgelegt werden. Der prüft und empfiehlt im Anschluss an die etwa vier Mal jährlich stattfindenden Sitzungen dem zuständigen Bundesminister in weiterer Folge (k)eine Rückgabe.

Im Februar steht die 95. Beiratssitzung an. Ein Ende ist derzeit nicht absehbar, dazu sind die Bestände in öffentlichen Sammlungen zu umfangreich oder die Aufgabenstellung oftmals sehr komplex. Etwa wenn es um Grafiken oder Fotografien geht, deren Herkunft im Hinblick auf Eigentümer vor 1933 kaum rekonstruierbar ist.

Kolonial belastet

Die Weiterführung der Provenienzforschung ist nun ebenso im Regierungsprogramm zu finden wie deren Ausbau. Es geht dabei um die seit Monaten in Europa diskutierte Restitution kolonial belasteter Kulturgüter. Österreich mag formal keine Kolonialmacht im engeren Sinne gewesen sein, Objekte aus diesem Kontext finden sich aber in heimischen Museumsbeständen: nicht nur im Wiener Weltmuseum mit seinen ethnografischen Sammlungen, denn genau genommen gehören Asiatika dazu.

So stand China etwa Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund des Boxeraufstandes gegen die "Vereinigten acht Staaten" (Deutsches Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, USA, Russland) vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Damals gelangten Unmengen an Objekten aus Privathäusern und Palästen auf den Markt, in Museen und Privatsammlungen. Bis nach Österreich, wo Sammlungen begründet wurden, die später etwa dem Museum für angewandte Kunst (Mak) überlassen wurden.

Mammutprojekte

Ob und in welcher Form es hier künftig zu inhaltlichen Kollisionen kommt, ist nicht absehbar. Vergangenes Jahr restituierte das Mak etwa den Kopf eines Würdenträgers an Erben eines jüdischen Sammlers. Wann und unter welchen Umständen dieser an das Objekt aus der Song-Dynastie (960–1279 n. Chr.) gekommen war, blieb unbekannt. Die vollständige Rekonstruktion der Herkunft wäre ein Mammutprojekt.

In der Praxis wird es also vorerst darum gehen, den konkreten Bedarf für heimische Bestände und internationale Kooperationen zu evaluieren. "In weiterer Folge werden Personalbedarf und finanzielle Rahmen ermittelt", sagte Lunacek auf Anfrage.

Für Restitutionen auf diesem Gebiet bedarf es laut Eva Blimlinger keiner Erweiterung des Kunstrückgabegesetzes. Denn dabei werde es nicht um Restitutionen an Private gehen, sondern um bilaterale Abkommen mit Staaten, erläutert die Vorsitzende des Kulturausschusses im Parlament.

Problem der Dauerleihgaben

Die Historikerin war lange stellvertretende Vorsitzende des Kunstrückgabebeirates. Eine Funktion, die sie als Nationalratsabgeordnete jetzt zurücklegte. Wissenschaftliche Koordinatorin der Kommission bleibt sie. Dementsprechend finden sich im Regierungsprogramm Anknüpfungspunkte zu Erfahrungswerten: Stichwort Dauerleihgaben. Also Kunstwerke, die für mehrere Jahre in Bundesmuseen gastieren und von der systematischen Provenienzforschung bislang ausgenommen waren.

Das betrifft etwa die Albertina und die Sammlungen Batliner, Forberg und Essl. Hier sollen, wie Lunacek vorschlägt, nachträglich "Übereinkommen getroffen werden". Die Kosten würden im Idealfall von den Leihgebern übernommen, die Expertise könne von der Kommission für Provenienzforschung zur Verfügung gestellt werden. Künftig gilt es das, betont Blimlinger, vor der Übernahme umfangreicherer Dauerleihgaben zu klären, sollen also nur Kunstwerke übernommen werden, deren Provenienz bereits geklärt wurde. (Olga Kronsteiner, 27.1.2020)