Der Einmarsch des Jungdamen- und Jungherrenkomitees zählt mit zu den Höhepunkten jedes Balls.

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Das hätte sich die geschäftstüchtige Strauß-Dynastie, die die Tanzsäle des 19. Jahrhunderts dominiert hat, wohl nie zu träumen gewagt: dass Bälle dereinst zu einem so gewaltigen Wirtschaftsfaktor werden würden, wie sie es heute sind. Hochrechnungen zufolge werden bis zum Ende der Ballsaison 2019/20 allein in Wien an die 151 Millionen Euro umgesetzt. Das sind um etwa vier Prozent mehr als im Vorjahr.

"Die Bälle, und das ist das Gute, fallen in eine Zeit, wo touristisch weniger los ist", sagt der Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Wien, Markus Grießler. dem STANDARD. Genaue Zahlen, wie viele Gäste aus dem Ausland oder anderen Bundesländern nach Wien auf Ballbesuch kommen, gibt es zwar nicht; es dürften aber nicht wenige sein.

Vier Nobelpreisträger beim Ärzteball

Beispiel Ärzteball: Laut Schätzungen der Wiener Ärztekammer waren unter den knapp 4000 Gästen, die sich zum 70-Jahr-Jubiläum vorigen Samstag in der Hofburg eingefunden haben, gut 800 Besucher aus dem nahen und fernen Ausland, darunter vier Nobelpreisträger. Neben Eric Kandel, dem aus Wien stammenden, in New York lebenden Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 2000, schwangen auch Stefan Hell (Chemie-Nobelpreis 2014), Dan Shechtman (Chemie-Nobelpreis 2011) sowie Tim Hunt (Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2001) das Tanzbein – Kandel, der im Vorjahr seinen 90. Geburtstag gefeiert hat, gleich mehrmals.

Kandel ist nicht nur in der Medizin, sondern auch beim Tanzen eher die Ausnahme als die Regel. Ein Rundruf bei Tanzschulen hat ergeben, dass es nach wie vor einen Überhang an Frauen in Tanzkursen gibt, wiewohl sich die Situation zuletzt gebessert habe.

"Gewaltiges Interesse an Tanzkursen"

Ein "gewaltiges Interesse an Tanzkursen" registriert Thomas Schäfer-Elmayer, der die Tanzschule Elmayer in Wien in dritter Generation leitet. Zur Teilnahme am Eröffnungskomitee für das Elmayer-Kränzchen, das traditionell die Wiener Ballsaison am Faschingsdienstag (25. Februar) abschließt, hätten heuer 740 Jugendliche für 500 Startplätze vorgetanzt. Beides sei neuer Rekord. "Mag sein, dass es am runden Jubiläum liegt; wir veranstalten das Elmayer-Kränzchen heuer zum 100. Mal. Tanzen liegt aber generell im Trend", sagt Schäfer-Elmayer.

Aus dem Kränzchen ist ein großer Ball geworden, der die Hofburg füllt. Im Gegensatz zu anderen Bällen endet das "Kränzchen" um Mitternacht. Am Aschermittwoch wird nicht mehr getanzt, anschließend schon wieder.

290 Euro pro Ballbesuch

Etwa 450 Bälle finden in Wien pro Ballsaison statt, die meisten in der Faschingszeit. Wegen der vergleichsweise frühen Osterfeiertage ist die Faschingszeit heuer acht Tage kürzer, sodass sich auch das Ballgeschehen mehr drängt.

Leicht gestiegen sind die Ausgaben der Ballgäste. Nach 280 Euro im Vorjahr gibt ein Ballgast heuer im Schnitt 290 Euro pro Ballbesuch aus. Das hat das Industriewissenschaftliche Institut im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien erhoben. Darin inkludiert sind alle Ausgaben, von der Eintrittskarte über das Sacher-Würstl beim Ball bis zum Ausleihen des Fracks, dem Friseurbesuch und der Taxifahrt. Die Zahl der Ballgäste dürfte um 5000 auf 520.000 steigen.

Mitternachtseinlage mit Anastacia

Zunehmend werden Bälle auch außerhalb der traditionellen Ballsaison veranstaltet, etwa im Sommer. Steigender Beliebtheit erfreue sich der Ball der Wiener Wirtschaft, sagt Wirtschaftskammermann Grießler. Das liege auch an den speziellen Mitternachtseinlagen – im Vorjahr Nena, am 8. Februar der US-Popstar Anastacia. Grießler: "Damit wird auch Publikum angezogen, das sonst nicht unbedingt auf Bälle geht." (Günther Strobl, 28.1.2020)