Peter Klien und Ungarns Medien.

Foto: Screenshot / ORF TVThek

Wien – Er habe zwar gehofft, dass es Wirkung zeigt, mit diesem Ausmaß hat er dennoch nicht gerechnet: Peter Klien ist ein Coup gelungen. Der ORF-Satiriker sorgt derzeit in Ungarn mit einem Erklärstück seiner Sendung "Gute Nacht Österreich" für Furore – und Kritik. Bis Montagabend generierte das Video "Medien in Ungarn" allein auf Youtube über 310.000 Abrufe und eine Reaktion von Ungarns Staatssekretär und Regierungssprecher Zoltán Kovács, auch gerne als Viktor Orbáns "Mann fürs Grobe" tituliert. Er schrieb auf Twitter:

Zu sehen ist in dem Video, wie Ungarns Premierminister Orbán in den letzten Jahren die Medienlandschaft seines Landes unter seine Kontrolle gebracht hat. Der Clou: Klien hat das Video mit ungarischen Untertiteln versehen – erstmals im ORF. "Wir haben TV-Geschichte geschrieben", sagt Klien im Gespräch mit dem STANDARD. In dem Beitrag selbst ruft er dazu auf, das Video massenhaft zu verbreiten: "Teilt dieses Video. Immerhin geht es um Dinge, die man in Ungarn nicht mehr so leicht erfahren kann."

Gute Nacht Österreich

Ungarns Medien stramm auf Orbán-Kurs

Mit den "Dingen" meint Klien Kritik an Ungarns Regierung und den Zustand der auf Regierungslinie frisierten ungarischen Medienlandschaft. Orbán hat die Medien sukzessive auf seinen Kurs gebracht, viele unliebsame Journalisten verloren ihren Job. Das Video zur Machtübernahme ist das Resultat der Kooperation mit "Dossier". Das Team der Plattform recherchiert für "Gute Nacht Österreich" den investigativen Part. Laut Georg Eckelsberger, dem stellvertretenden Chefredakteur, kann das für einen Beitrag über mehrere Wochen gehen. Im konkreten Fall habe man auch mit Journalisten in Ungarn zusammengearbeitet.

Die Idee, Ungarns Medien aufs Tapet zu bringen und mit ungarischen Untertiteln zu versehen, hatte Klien selbst. Er zeigt sich erfreut: "Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen." Aber nicht nur, denn neben der Kritik von Orbáns Regierungssprecher gab es auch jede Menge negative Reaktionen, sagt Klien: etwa auf seiner Facebook-Seite, in den Kommentaren auf Youtube oder per E-Mail an die "Gute Nacht Österreich"-Redaktion. Vom ORF hat er für die Untertitelung Rückendeckung bekommen. Die einzige Bedingung war, dass es professionell gemacht werde.

Es soll "scheppern"

Seine Mission bei "Gute Nacht Österreich" sei, Satire mit fundierter Kritik zu machen: Am liebsten so, dass es "scheppert", sagt Klien. "Jetzt hat es halt im Nachbarland gescheppert." Zahlreiche ungarische Medien haben den Beitrag thematisiert. Geht es nach Klien, dann soll das Ungarn-Video erst der Anfang eines Internationalisierungsschubes sein. "Warum nicht auch Beiträge mit englischen Untertiteln?" Themen gäbe es genug.

"Guten Nacht Österreich" ist im September 2019 mit vielen Vorschusslorbeeren auf Sendung gegangen, die letzte Ausgabe am Donnerstag um 22.05 Uhr in ORF 1 erreichte laut Teletest im Schnitt 214.000 Zuseher, was einem Marktanteil von neun Prozent entspricht. Mit der "ZiB 2" hat Klien zeitgleich in ORF 2 eine sehr quotenstarke Konkurrenz.

Weitere Optimierungen sollen kommen

Die Umstellung vom "Willkommen Österreich"-Außenreporter zum Host einer Late-Night-Show sei für das Publikum nicht einfach gewesen, aber: "Wir sind auf einem guten Weg. Ich sehe noch viel Potenzial." Die Sendung wachse von Woche zu Woche. Es soll noch Optimierungen geben. So möchte Klien wieder verstärkt in die Rolle des Reporters schlüpfen, der vor Ort Leute mit seiner Schlagfertigkeit konfrontiert.

Der Vertrag des Satirikers läuft vorerst bis Ende des Jahres 2020. Ob es eine Verlängerung gibt, werden die Quoten der nächsten Wochen zeigen. Viktor Orbán dürfte jedenfalls dagegen sein.

Update am 28. Jänner um 13:15 Uhr

Das regierungsnahe Onlineportal "Pestisracok.hu" reagierte auf das Video und konstatierte eine "neue Welle linker Propaganda aus Österreich". "Die Ungarn diffamierende internationale Kampagne hat ein ganz unvorstellbares Niveau erreicht. Dabei konnten die sehr kreativen Agitatoren der internationalen Linken selbst die bisher übliche Produktion von Falschmeldungen im Internet überbieten und hetzen mit einer im ORF ausgestrahlten Sendung die internationale Öffentlichkeit auf gegen die ungarische Regierung und damit zugleich gegen Ungarn und das ungarische Volk", heißt es auf dem Portal.

Dann wird in dem Portal die Sendung "Gute Nacht Österreich" beschrieben, die sich auf außerordentlich aufmerksame Weise der Darstellung der in "unserer kleinen Heimat" vorherrschenden Zustände widmen würde. Damit sollte den gebildeten heimischen Zuschauern gezeigt werden, welch inakzeptable Zustände in Ungarn herrschen würden. Dabei sei auch an die Monarchisten gedacht worden, weil in der Geschichte des Programms erstmals ein "Kunstwerk" mit ungarischen Untertiteln ausgestrahlt worden sei. Das Portal bezeichnete das in der Sendung erwähnte Portal "Atlatszo" als Günstling von US-Milliardär George Soros. Auch Kovacs hatte einen Zusammenhang zu von Soros finanzierten Quellen hergestellt.

Kritik von "Reporter ohne Grenzen"

Die Journalisten-Organisation "Reporter ohne Grenzen" kritisierte am Dienstag die "Anfeindungen und leeren Vorwürfe" durch den ungarischen Regierungssprecher. "Wir lassen nicht zu, dass die investigative Arbeit von heimischen Journalisten diskreditiert wird," sagte Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. "Dass die Orban-kritische Berichterstattung aus Österreich nun instrumentalisiert wird, um antisemitische Neigungen zu verstärken, ist eine Verhöhnung der ungarischen Bevölkerung," so Möhring.

"Reporter ohne Grenzen" betonte, wie gravierend die ungarische Medienlandschaft in den vergangenen Jahren umgebaut worden sei und wie wichtig es sei, dass heimische Medien die dortigen Entwicklungen weiterhin beobachten. "Die Menschen in Ungarn wollen Nachrichten, sie wollen Informationen frei zugänglich konsumieren können – auch kritische", sagte Möhring. "Eine Regierung, die behauptet, repräsentativ für die ungarische Bevölkerung zu sein, sollte diesen Wunsch respektieren." Seit Amtsantritt von Orban im Jahr 2010 sei Ungarn in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen vom 23. auf den 87. Platz abgerutscht. (Oliver Mark, 27.1.2020, ergänzt mit APA am 28.1.2020)