In ihrem Leserbrief hat die ehemalige Volksanwältin Gertrude Brinek Anmerkungen zum Buch der Ex-Ombudsfrau Susanne Wiesinger und zur Arbeit der Generalsekretäre verfasst. Lesen Sie dazu auch die Gastkommentare von Heidi Schrodt und Barbara Herzog-Punzenberger.

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Brinek: Zuzustimmen ist der Kritik, dass die Folgen der Migrationspolitik zu lange ignoriert worden sind.
Foto: AP / Hans Punz

Nicht zur Tagesordnung übergehen, dieser Forderung pflichte ich Heidi Schrodt grundsätzlich bei – mit einer differenzierten Ergänzung!

Wie sehr ein Generalsekretär oder eine Generalsekretärin für den Minister, die Ministerin vernünftig und in der täglichen Arbeit unterstützend und entlastend sein kann, davon überzeugen sich gerade die neuen Ministerinnen und Minister der Grünen. Eine Kritik an einer Person, die völlig frei von Management- und Fachkompetenzen ist, wäre ja nachvollziehbar, nur sie ist in diesem Fall völlig unzutreffend. Martin Netzer hat sich in langjähriger fachlich ausgezeichneter Tätigkeit die Position des Sektionschefs erarbeitet und genießt hohes Ansehen im Haus und weit darüber hinaus, er ist kein Hetzer oder außengesteuerter Ideologe. Es ist ein billiger und durchschaubarer Versuch, den Generalsekretär gegen den Minister ausspielen zu wollen. Im durchwegs verallgemeinernden Duktus des Buches sucht man auch die Nennung eines konkreten Vorwurfs einer Zensur vergebens. Generalisierung ohne Grundlage ist die große Schwäche des Buches insgesamt. Was zur Verbesserung der Lage wenig beiträgt.

Maßgaben und Ziele

Gewiss muss jedes bürokratische System stets an der eigenen Verbesserung arbeiten, jedoch: Schule agiert dem Grunde nach als Verwaltung – mit Elementen aus der Managementkultur. Es geht um die gleichförmige Umsetzung von Maßgaben und Zielen, die von der Politik verabschiedet werden, was zumindest das öffentliche Schulwesen auszeichnet und für alle in der föderalen Republik durchschaubar macht.

Was die Frage der Durchdringung mit Politik betrifft, ist die Kritik, sowohl die der Autorin als auch die so mancher Stimmen aus den Echokammern, großteils naiv. Ein anschauliches Lehrbeispiel war die jüngste Debatte im Parlament, bei der Abgeordnete aus verschiedenen Parteien – auf Basis der Spielregeln der Demokratie – politische Entscheidungen getroffen haben und gleichzeitig solche Entscheidungen für die Schulpolitik kritisierten. Wer beispielsweise meint, dass die aus privaten Wahlkämpfen hervorgegangenen kommunalen "School-Board"-Mitglieder weniger parteiisch agieren, der möge sich in anderen Ländern umsehen. Problematisch wird die Entscheidung nur, wenn ihr keine fachliche Rationalität zugrunde liegt. Und diese schulisch geforderte Vernünftigkeit, die gewünschte Objektivität, ist nicht so einfach ausmachbar wie etwa über eine physikalische Formel. Vieles ist argumentativer Austausch, Kompromiss und schließlich die demokratische Mehrheitsentscheidung.

Ignorierte Hilferufe

Zuzustimmen ist der Kritik, dass die Folgen der Migrationspolitik zu lange ignoriert worden sind. Bereits in den frühen Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wurden in Wien die Hilferufe der Lehrerinnen und Lehrer ignoriert und stattdessen auf die Hoffnung auf das gemeinsame Aufwachsen in den jeweiligen Klassenverbänden gesetzt. Heute haben wir Verhältnisse, wo sich die Integrationsintentionen in Klassen mit beispielsweise 18 "Migrationskindern" (aus verschiedenen Kulturen) und zwei Schülerinnen aus Österreich umkehren und ein strukturiertes Voneinanderlernen längst an die Grenzen gestoßen ist. Man möge doch einmal bei Pädagoginnen und Pädagogen aus der Leopoldstadt oder aus Rudolfsheim-Fünfhaus nachfragen. Verallgemeinerungen helfen auch hier nicht, sondern maßgeschneiderte Modelle für die jeweiligen Brennpunktschulen, "Leistungsvereinbarungen", mit den einzelnen Standorten.

Die Bildungsdirektionen haben dabei eine zentrale Funktion. Wesentliches Element ist dabei die Beherrschung der Unterrichtssprache – so früh wie möglich. Darüber gibt es mittlerweile keine Debatte mehr.

Ein entscheidender Ansatzpunkt sind dabei die Eltern. Sie zu gewinnen, ihre Kinder in eine aufgeklärte und leistungsorientierte Gesellschaft zu führen, muss zu ihrem Anliegen werden. Grundsätzlich engagierte, aber mangelhaft integrierte Eltern brauchen Hilfe in der kulturellen und schulischen Begleitung ihrer Kinder, v. a. der Mädchen. Konsequente bildungs- und familienpolitische Maßnahmen sind gefragt und dabei auch neue Wege.

Gertrude Brinek, ehem. Lehrerin, Nationalratsabgeordnete und Volksanwältin. (28.1.2020)