Ein Tempolimit von 130 km/h ist auf vielen europäischen Autobahnen die Norm. In Deutschland ist das allerdings anders.

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Der Name Franz Stadler sagt in Deutschland heute kaum noch jemandem etwas. 1974 war er Präsident des ADAC (Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs), und ein Slogan von ihm ist immer noch in Erinnerung: "Freie Fahrt für freie Bürger." Er hat seit Generationen für den ADAC als auch Millionen von Autofahrern Gültigkeit.

Auf deutschen Autobahnen also soll man möglichst ohne Tempolimit fahren können. Und das ist ja – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten – in der Bundesrepublik auch heute noch möglich. Es gibt insgesamt 13.000 Kilometer Autobahnen, auf 30 Prozent gilt ein Tempolimit, auf 70 Prozent herrscht freie Fahrt.

Letztere hat der ADAC (21 Millionen Mitglieder) immer vehement verteidigt. Doch nun vollzog der Club einen bemerkenswerten Positionswechsel und gab den Widerstand gegen ein Tempolimit auf der Autobahn auf.

Man habe zu dem Thema jetzt eine "neutrale Position", erklärte Vizepräsident Gerhard Hillebrand. Der Grund für den Meinungsumschwung: Auch dem ADAC ist die Forderung nach einem Tempolimit für mehr Klimaschutz natürlich nicht entgangen. Also befragte er seine Mitglieder. 45 Prozent sprachen sich für ein Tempolimit aus, 50 Prozent sind dagegen.

Untersuchung gefordert

Obwohl also eine, wenn auch nicht sehr deutliche Mehrheit keine Begrenzung wünscht, will der ADAC jetzt nicht mehr für Rasen ohne Limit eintreten. Vize Hillebrand fordert aber: "Wichtig ist es, Grenzen und Möglichkeiten eines Tempolimits für die Verkehrssicherheit und den Klimaschutz genau zu untersuchen."

Kaum hatte sich der ADAC neu positioniert, da musste sich einer in Berlin sehr ärgern: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Ein 'neutrales' Durchlavieren bei diesem Thema gibt es definitiv nicht", rügte er den ADAC und fügte hinzu: "Das werden sicher die vielen ADAC-Mitglieder dem Vorstand des Automobilclubs deutlich machen, die bei der jetzigen bewährten Regelung bleiben wollen."

Scheuer, der wegen des Debakels um die Pkw-Maut für Ausländer jede Menge Ärger und einen Untersuchungsausschuss im Bundestag am Hals hat, ist wie die Autoindustrie ein vehementer Verfechter der freien Fahrt für freie Bürger und wird dafür scharf von Grünen und SPD kritisiert.

"Ein Tempolimit auf unseren Autobahnen ist gut für den Klimaschutz, dient der Sicherheit und schont die Nerven der Autofahrer. Und deshalb werden wir darüber auch im neuen Jahr wieder sprechen", sagte die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken Ende Dezember. Die Grünen werfen Scheuer vor, dass seine Haltung völlig aus der Zeit gefallen sei.

Als die Grünen allerdings im Oktober über eine Senkung des Tempolimits auf 130 km/h auf deutschen Autobahnen im Bundestag abstimmen ließen, da stimmten auch die meisten SPD-Abgeordneten dagegen, die Koalitionsräson war wichtiger.

Gegen jeden Menschenverstand

Schon vor einem Jahr hatte es in einer Regierungskommission Überlegungen zur Einführung eines Tempolimits gegeben, doch Scheuer hatte seine Haltung sehr deutlich gemacht und erklärt, das spreche "gegen jeden Menschenverstand".

Wenn der ADAC fordert, man müsse neue Untersuchungen durchführen, werden ihm viele recht geben. Zwar erklärt das Umweltbundesamt: "Die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen wäre ein kurzfristig realisierbarer, kostengünstiger und wirksamer Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs."

Doch es bezieht sich auf eine Studie aus dem Jahr 1999, in der Daten von 1996 verwendet werden. Darin heißt es, bei 120 km/h könnte man die CO2-Emissionen der Pkws auf deutschen Autobahnen um neun Prozent verringern, das sind jährlich rund drei Millionen Tonnen CO2.

Zum Vergleich: 2019 wurden in Deutschland 811 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Gegner eines Tempolimits argumentieren daher, die Ersparnis auf der Autobahn wäre viel zu gering, um die "freie Fahrt" zu beschneiden. (28.1.2020)