Silvia Stantejsky nahm das nichtrechtskräftige Urteil nach kurzer Beratung mit ihrer Anwältin an. Die frühere kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters hatte sich schon im Ermittlungsverfahren teilgeständig gezeigt.

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Sechs Jahre – so lange musste Silvia Stantejsky, die kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters zwischen 2008 und 2013, auf ihren Prozess warten. Als einzig verbliebene Beschuldigte im Finanzskandal der Staatsbühne hatte sie sich am Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen der Vorwürfe Untreue, Veruntreuung und Bilanzfälschung zu verantworten. Das Strafmaß: ein bis zehn Jahre Haft.

Nach vier Prozesstagen im November folgte am Montag noch einmal ein gut zwölfstündiger Verhandlungsmarathon. Dann nahm die 64-Jährige, mittlerweile Pensionistin, erschöpft und erleichtert ihr Urteil an: zwei Jahre bedingt, schuldig in den Anklagepunkten Untreue und Veruntreuung, beim Vorwurf der Bilanzfälschung erfolgte ein Freispruch.

Ins Gefängnis muss Stantejsky also nicht, der Richterspruch sieht aber vor, dass sie der Burgtheater GmbH, die sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, 320.000 Euro Schadensgutmachung zu zahlen hat. Die Burg-Anwälte, die bis zu zwei Millionen Euro an Forderungen geltend machen wollen, und die Staatsanwaltschaft gaben Montagabend noch keine Erklärung ab, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Freispruch bei Bilanzfälschung

Das Verfahren, in dem seit 2013 ermittelt wurde, das forensische Rechnungshof- und Wirtschaftsprüfberichte sowie einen parlamentarischen Unterausschuss nach sich zog, endete letztlich mit einem milden Urteil. Denn dass der Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richter Christoph Zonsics-Kral den Vorwurf der Bilanzfälschung fallenlassen würde, hatte nach dem detaillierten Vortrag eines Sachverständigen doch überrascht: Vor allem der Vorwurf, Stantejsky habe vom Spielplan abgesetzte Stücke zu lange als werthaltig in den Bilanzen ausgewiesen, um diese besser aussehen zu lassen, zog sich kontrovers diskutiert durch das Verfahren.

Der Richter begründete den teilweisen Freispruch mit einem Mangel an subjektiver Tatseite und dem Hinweis, dass durch die fragliche Bilanzierungspraxis, bei der die Bilanz besser und nicht schlechter als tatsächlich dargestellt wurde, kein Schaden entstanden sei. Wohl aber sah man es als erwiesen an, dass Stantejsky, die sich teilweise geständig gezeigt hatte, Honorare des damaligen Burg-Direktors Matthias Hartmann (zunächst selbst Beschuldigter, dann als Zeuge geladen), des Regisseurs David Bösch und anderer Beschäftigter an sich genommen hatte, um teilweise private Ausgaben zu decken.

Grundproblematik berücksichtigt

Stantejsky behauptete bis zuletzt, sie habe sich dabei "nie bereichern", sondern stets nur Budgetlöcher im Burgtheater stopfen wollen. Außerdem habe sie private Auslagen für das Theater getätigt, diese aber nicht als Spesen abgerechnet, sondern erst später auf diesem Weg "zurückgeholt". Belegen konnte Stantejsky diese Argumentation vor Gericht nicht, sogar ihre Anwältin hielt nochmals fest, dass Stantejsky irgendwann nicht mehr habe unterscheiden können, welche Gelder privat und welche beruflicher Natur waren.

Als Milderungsgründe nannte Richter Zonics-Kral Unbescholtenheit, Teilgeständigkeit, die lange Verfahrensdauer sowie eine psychische Erkrankung Stantejskys, die von einem Gutachter als Burnout diagnostiziert wurde.

Was das Gericht nicht nannte, mag in die Urteilsfindung ebenfalls eingeflossen, juristisch aber kaum greifbar sein: die Grundproblematik, warum es so weit kommen konnte. Das Gericht hat sich nicht hinreißen lassen, Stantejsky für systematisches Kontrollversagen und Missmanagement büßen zu lassen, das von den Wirtschaftsprüfern über den dem Theater übergeordneten Holding-Dachverband bis zu den Verantwortlichen im Kulturministerium reichte.

Fragwürdiges System ohne Reißleine

Deutlich zeigte das Verfahren noch einmal auf, dass die bei stetig steigenden Personalkosten über Jahre nicht angepasste Basissubvention vonseiten der Republik Löcher ins Budget des Burgtheaters riss. Auf Druck der Holding, trotzdem eine schwarze Null zu schreiben, wurde Stantejsky letztlich kreativ – in einem System, das per se unorthodox ablief.

Denn dass das Burgtheater offenbar vom gesamten Betrieb als Hausbank für den schnellen Schein genutzt wurde, nahm das Gericht im Verfahren oft nur ungläubig staunend zur Kenntnis: "Ich bin durch Rom marschiert mit 40.000 Euro in bar in der Tasche für einen Bühnenbildner. Weil ich dem das unbedingt in bar geben sollte", illustrierte Stantejsky am letzten Prozesstag noch einmal das Sittenbild.

Sie, die ihr ganzes Leben in den Dienst der Burg stellte und oft ganze Nächte und Wochenenden im Büro zugebracht haben soll, galt als Ermöglicherin des Unmöglichen, der Satz "Die Sylvie wird's schon richten" war als Kalauer bekannt. Nur Reißleine kannte Stantejsky keine. Oder, in den Worten des damaligen Holding-Chefs Georg Springer: "Sie hat zu oft Ja und zu wenig oft Nein gesagt." (Stefan Weiss, 28.1.2020)