Andouillette

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Es heißt, dass man Franzose sein müsse, um den eigenwilligen Geschmack der Andouillette zu mögen.
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Eine echte und richtig gute Andouillette, so sagen Gourmets, hat nach Sch... zu schmecken – aber halt nicht zu sehr. In der Tat ist die wohl nur in Frankreich beliebte Wurst von Geruch, Geschmack, aber auch vom Aussehen her alles andere als lieblich und eine wahre Herausforderung für die Sinne. Darum heißt es weiter, dass man wohl Franzose sein müsse und damit aufgewachsen, um die Wurst aus gekochten Gedärmen und sonstigem Gekröse vom Schwein überhaupt essen zu können.

Erzeugt wird die Spezialität in mehreren Regionen Frankreichs, wobei jene aus der zentralfranzösischen Stadt Troyes wohl die berühmteste ist. Man isst sie in der Regel gebraten oder vom Grill, häufig mit Pommes frites, bisweilen auch mit einer Sauce aus Crème fraîche. Diese wird von Liebhabern aber abgelehnt, weil sie den "feinen" Geschmack zu sehr überdecken würde. Deswegen bestellen sie dazu nur Senf, in den sie allerdings eher die Pommes tunken als ihre geliebte Wurst.

Industrielle Produkte sind freilich abzulehnen, wahre Andouillettes werden handwerklich erzeugt. Man erkennt sie (abgesehen von besagtem Fäkal-Aroma) am Zusatz "tirée à la ficelle", also "an der Schnur gezogen", der darauf hinweist, dass die Gedärme zuerst händisch aufgefädelt und danach in den Wurstdarm hineingezogen wurden; oder aber am Prädikat AAAAA oder 5A, das von der hochangesehenen Association amicale des amateurs d’andouillette authentique vergeben wird, einer Vereinigung von honorigen Experten, die sich der Bewahrung und Promotion der wahren Andouillette und ihrer olfaktorischen und geschmacklichen Vorzüge verschrieben hat.


Salama da Sugo

Die Salama reift bis zu einem Jahr aufgehängt in feuchten Kellern.
Foto: Georges Desrues

Vom Begriff Salama darf man sich nicht verwirren lassen, wenn es um diese Spezialität geht, die angeblich seit der Renaissance in der Gegend um die emilianische Stadt Ferrara erzeugt wird. Zwar handelt es sich wie bei einer herkömmlichen Salami um eine eingesalzene Rohwurst, nur wird sie nicht aufgeschnitten und kalt gegessen, sondern richtig lange gekocht. Zusammengesetzt ist sie aus verschiedensten gehackten Fleischteilen sowie Leber und Zunge vom Schwein, die unter Zugabe von Rotwein, Salz und Gewürzen in eine Schweinsblase gepresst und mit einer Schnur umwickelt werden.

Danach reift die kugelförmige Delikatesse bis zu einem Jahr aufgehängt in feuchten Kellern heran, bevor sie ihre verführerisch-intensiven Aromen entwickelt. Nach Entfernung der appetitlichen Schimmelschicht an ihrem Äußeren bedarf sie einer Kochzeit von je nach Fettgehalt vier bis acht (!) Stunden. Dazu wird sie an der Schnur in einen Topf gehängt, sodass sie mit diesem nicht in Berührung kommt. Zum Servieren wird sie wie ein weiches Ei "geköpft" und auf einem großen Teller inmitten eines Erdäpfel- oder Kürbispürees platziert.

Die Gäste bedienen sich mit einen Löffel, fischen damit allerdings nur sehr geringe Mengen Wurstmasse aus der Kugel, um sie mit dem Püree zu vermengen, was den unglaublich strengen und salzigen Geschmack etwas abfedern soll. Derart stolz ist man in der Provinz Ferrara auf die Wurstspezialität, dass man ihr an der Einfahrt zum kleinen Ort Madonna dei Boschi, der selbsternannten Hauptstadt der Salama, ein eigenes Monument errichtet hat und regelmäßig Feste zu Ehren der Wurst feiert.


Stigghiola

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Die Heimat der Stigghiola ist die Hauptstadt Siziliens, Palermo.
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Auch wenn sie genaugenommen gar keine Wurst ist, so ist die aus der Cucina povera kommende Stigghiola gewissermaßen doch die sizilianische und softere Version der Andouillette. Sie wird allerdings nicht in einen Wurstdarm gefüllt und besteht auch nicht aus Schweinedärmen, sondern aus jenen von Lämmern oder auch Zicklein. In ihrem Geruch und Geschmack ist sie dennoch um einiges milder als ihr gefürchtetes französisches Pendant. Zudem würde es wohl keinem Sizilianer einfallen, eine Portion Senf zu einer Stigghiola zu bestellen.

Dieser würde die (nur im Vergleich zur Andouillette) delikaten Aromen wohl allzu sehr übertünchen. Erlaubt ist hier nur Salz und etwas Zitrone, wobei Letztgenannte vermutlich den mediterranen Aspekt des Ganzen unterstreichen soll. Die Heimat der Stigghiola ist die Hauptstadt der Insel, Palermo. Dort wird sie in der Regel vom sogenannten Stigghiularu um eine Jungzwiebel oder mehrere Petersilstängel gewickelt und schließlich über Holzkohle gegrillt. In mundgerechte Stücke geschnitten wird sie – häufig auf Märkten – als Streetfood angeboten.


Andouille

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Nurmehr wenige Handwerker beherrschen die Kunst, eine Andouille herzustellen.
Foto: Getty Images

Sie ist die großformatige Version der Andouillette und enthält mehr oder weniger dieselben geruchsintensiven Hauptingredienzien. Folglich verhält sie sich, rein äußerlich, zu ihrer kleineren Verwandten ähnlich wie die Kranzel- zur Stangen-Extra. Das ist der Grund, warum in ihrem Fall die fehlleitende Verniedlichungsform "ette" wegfällt. Zudem wird die Andouille geräuchert, bevor sie gekocht wird. Schließlich brät man sie nicht, sondern isst sie als Aufschnitt.

Selbst wenn sie vielerorts in Frankreich erzeugt wird, so sind die berühmtesten Vertreterinnen der Schnittwurst wohl die beiden Versionen aus der normannischen Stadt Vire und aus dem bretonischen Guémené. Wobei Letztgenannte als Königin unter den Andouilles gilt, da ihre aufwendige Herstellung hohe Fertigungskenntnisse verlangt. Nurmehr wenige Handwerker beherrschen die Kunst, die Gedärme händisch derart elegant über eine Schnur zu stülpen und in den Wurstdarm zu füllen, dass das unförmige Gekröse am Ende das gepflegte Erscheinungsbild von konzentrischen Kreisen annimmt, die beim Aufschneiden auch nicht auseinanderfallen.


Zampone

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Ein Klassiker der italienischen Festtagstafel: der gefüllte Schweinsfuß, Zampone.
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Im Vergleich zu den bisher genannten Spezialitäten verhält sich der Zampone einigermaßen zurückhaltend – zumindest was seinen Geschmack betrifft. Umso ungewöhnlicher ist indessen das Aussehen dieses Klassikers der italienischen Festtagstafel, als es sich dabei um einen gefüllten Schweinsfuß handelt, an dem man die Klauen dranlässt – wodurch er ein wenig an ein kleines, garstiges Wesen aus dem All erinnert.

Die grobgehackte Fülle besteht aus Fleisch von Kopf, Wange, Kinn und Bauchschwarte, aus lauter Teilen also, die als ebenso unedel gelten wie der Fuß selbst. Und die auch bei der Wurst Cotechino zur Anwendung kommen, die ihren Namen von der Schwarte (Italienisch: "coteca") bezieht. Deren Zähheit sorgt dafür, dass man Cotechino wie Zampone bis zu vier Stunden kochen muss, um die Schwarte weich zu bekommen. Das Ganze freilich bei kleiner Flamme, damit nichts platzt und der feine Fettduft möglichst lange in der Luft hängt. Schließlich werden Wurst wie Fuß säuberlich in Scheiben geschnitten und auf ihrer traditionellen Beilage, nämlich Linsen, serviert.


Haggis

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Im Englischen fällt Haggis in die Kategorie Pudding.
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Für eine herausragende Traditionsküche sind die Briten ja nicht gerade bekannt. Umso erstaunlicher, welchen Kult man in Schottland um das Nationalgericht Haggis treibt. Dabei handelt es sich um einen Schafsmagen, der mit gekochten und zerkleinerten Innereien wie Herz, Lunge, Leber, Gewürzen und Haferbrei gefüllt und anschließend mehrere Stunden gekocht wird.

Ob man ihn genaugenommen als Wurst bezeichnen kann, bleibt zu diskutieren. Im Englischen fällt er in die Kategorie Pudding (siehe auch Black Pudding für Blutwurst), weswegen der schottische Nationaldichter Robert Burns ihn in seinem Gedicht Address to a Haggis auch als "great chieftain o’ the puddin-race", also als Stammesfürst des Pudding-Geschlechts hochleben lässt. Die klassischen Beilagen zu einem Haggis sind Erdäpfel- und Rübenpüree, die sogenannten "tatties and nips". Zu seiner und Schottlands Ehre sei gesagt, dass der Haggis in Geschmack und Konsistenz weit weniger eine Challenge darstellt, als man angesichts der Beschreibung meinen würde. Wenn da nicht dieser unselige Haferbrei wäre ...

(Georges Desrues, RONDO, 24.2.2020)