Die Trüffelsaison wurde zu Jean-Michels Küchen-Coachella.

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Gibt es etwas Aufregenderes, als einen Mann, der in das Leben einer Frau poltert? Kein ängstliches Herumschleichen. Kein forderndes "Zack, zack, zack". Nein, peng! Und er ist da – laut, unter Strom, raumfüllend. Genau so erging es mir mit Jean-Michel. 1,90 Meter groß, von Beruf Bildhauer.

Ein Mann wie ein Jumbojet kurz nach dem Start: Jede seiner Umarmungen war so stürmisch, dass ich um meine Schultergelenke fürchtete. Dazwischen gab es brennende Drinks, die besten Witze seit Louis de Funès und tausend famose Ideen. Wenn einem so ein Komet vor die Füße fällt: Wer wird da so spießig sein und auf das Kleingedruckte achten?

Brust oder Keule

Die Sache war die: Jean-Michel war nicht nur auf Vernissagen und in seinem Toyota-Corolla-Kombi ein Turbo, sondern auch bei Tisch. Er sprach schnell und viel. Während er seine Suppe schlürfte, spuckte er kleine Tröpfchen in meine Richtung. Oder fuchtelte, über riesige Fleischgerichte gebeugt, mit Messer und Gabel in der Luft herum. Ein Mann mit special Effects. Wie alle großen Romantiker fand ich das in den ersten Monaten originell, oder es fiel mir erst gar nicht auf.

Und überhaupt: Wenn Jean-Michel im Überschwang seiner Emotionen gedankenlos das Messer abschleckte – war das nicht auch irgendwie süß? Noch spezieller waren seine Essvorlieben: Sobald er eine Skulptur verkauft hatte, schlürfte er lautstark ganze Austernbänke. Die Trüffelsaison wurde zu seinem Küchen-Coachella: Trüffeltoast, Trüffelöl, Trüffelpasta, Trüffelschwein – über alle Speisen, die er zubereitete, wurden Tonnen von weißen oder schwarzen Knollen gerieben. Dazwischen kultivierte er exzentrische Genüsse wie Hirn mit Petersilie oder glasierte Hahnenkämme. Aus Protest ernährte ich mich an seiner Seite nurmehr von Butterbroten.

Exotische Attraktionen

Das Ganze ist nun schon einige Jahre her. Denn leider war dieses "Bigger than life" bei Jean-Michel nur am Beginn unserer Beziehung sexy. Mit der Zeit wurde all das, was mich am Anfang so in seinen Bann gezogen hatte, verdammt unpraktisch. Es war, als hätte man einen knallorangen Lamborghini vor der Tür stehen. Drei Tage lustig, danach zu speziell. "Man trennt sich aus denselben Gründen, für die man am Anfang gebrannt hat", schreibt Nell Zink in einem ihrer Romane.

Ja, egal, ob jodeln, stricken oder schmatzen: Genau das, was man zuerst so besonders originell findet, wird man später hassen. Denken Sie daran, bevor Sie das nächste Mal jemanden, der gerne in Katzencafés abhängt, heiß finden. (Ela Angerer, RONDO, 20.2.2020)