Immer mehr Wiener wagen den Jobwechseln gen Westen. Das Gros davon in den Tourismus. Noch, denn auch andere Branchen suchen Personal.

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Bregenz/Innsbruck – Bludenz statt Praterstern. Seit Dezember 2019 arbeitet die 18-jährige Wienerin Emely Haller an der Skiliftkassa im Nobelskiort Lech am Arlberg. An ihren freien Tagen fährt sie nun nach Bludenz zum Shoppen statt in die City. Anfangs hatte die gelernte Einzelhandelskauffrau Zweifel, ob der berufliche Wechsel in den Westen das Richtige für sie sei: "Ich hatte Bedenken, ob mich die Leute hier wohl akzeptieren würden."

Taten sie, und mittlerweile ist Haller derart begeistert von ihrem neuen Leben in den Bergen, dass sie im kommenden Winter ihre beste Freundin überzeugen will, mit ihr nach Lech zu gehen: "Es ist großartig hier, und die Wertschätzung durch die Kollegen ist ganz anders als in Wien."

Haller hat über das AMS eine Saisonstelle als Kassierin an der Liftkassa bei Thomas Maghörndl angenommen. In Wien hatte sie bei einem großen Sportartikelhersteller die Lehre gemacht, aber danach keinen passenden Job gefunden. "Ich verdiene mehr, arbeite fünf bis sieben Tage und wohne in einer Mitarbeiterunterkunft", erzählt Haller. Ihr Chef ist auch zufrieden: "Sie kann gerne wiederkommen."

Aufstiegschancen in Serfaus

Ein paar Gipfel und Täler weiter in Serfaus arbeitet der ebenfalls vom AMS aus Wien vermittelte Ali Al Baker in Rupert Mairs Skihütte Hög Alm. Es ist die dritte Saison des 22-Jährigen im Tiroler Oberland, wo er sich vom Abwäscher zum Beikoch hochgearbeitet hat.

Chef Mair lobt den Fleiß seines aus Syrien stammenden Mitarbeiters. Mittlerweile hat er mit einer jungen Frau, die ursprünglich aus Nigeria stammt, bereits die zweite vom AMS Wien vermittelte Arbeitskraft eingestellt.

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Al Baker wohnt in Ried in einer Personalwohnung seines Arbeitgebers. Er hatte zwei Jahre in Wien gelebt und gearbeitet, bevor er nach Tirol wechselte. Zwar plagten auch ihn anfangs Bedenken, ob das Leben in den Bergen das Richtige für ihn sei, doch mittlerweile hat er sich eingelebt und will dauerhaft bleiben.

Tauern Spa statt Donauinsel

Im Tauern Spa im Salzburger Kaprun steht seit Dezember 2019 der 22-jährige gelernte Koch Kenan Suljagic am Herd. Nachdem er in Wien, wo er seit 2013 lebte, an die 200 Bewerbungen erfolglos verschickt hatte, besuchte er die Jobmesse des AMS, wo er auf Arbeitgeber aus dem Westen traf. Das Angebot aus Kaprun sagte ihm zu, und er wagte den Wechsel.

"Die Wohnung in Wien habe ich noch behalten, weil ich anfangs doch skeptisch war", sagt Suljagic. Die Großstadt gegen das Bergdorf zu tauschen sei zwar "gewöhnungsbedürftig", aber mittlerweile schwärmt er von den Vorzügen des Landlebens: "Die Lebensqualität hier ist viel besser. Wien war mir schon zu groß und zu laut."

Noch hat er eine Saisonstelle, doch wenn es weiter so gut läuft, kann sich der junge Koch vorstellen, dauerhaft zu bleiben. Seine Vorgesetzte Monika Gansch kann der Vermittlung von Arbeitskräften aus Wien viel abgewinnen. Aber nur auf freiwilliger Basis: "Zwang bringt nichts, die Leute müssen sich hier wohlfühlen."

Dass es unter den Dienstgebern Vorbehalte wegen des Migrationshintergrundes vieler aus Wien vermittelter Dienstnehmer gebe, glaubt Gansch nicht: "Unsere Gäste kommen aus aller Welt, warum nicht auch unsere Mitarbeiter?"

In Mitarbeiter statt in Inserate investieren

Neben dem Tourismus entdecken auch andere Branchen diese Lösung für sich. Etwa die Großhandelskette Metro in Dornbirn. Dort arbeitet seit dem Vorjahr ein Wiener, der mit über 50 noch die Herausforderung eines Wechsels in den Westen angenommen hat.

Für Metro ist die Vermittlung über das AMS ein Segen, wie Personalchefin Elke Berger erklärt: "Wir suchen ständig, aber in Vorarlberg gibt es kaum freie Arbeitskräfte." Mit "deutlich besseren Rahmenbedingungen" als in Wien, einer für drei Monate bereitgestellten Unterkunft sowie einem Buddysystem für die Neuankömmlinge aus dem Osten soll die Integration erleichtert werden. Das koste die Metro zwar Geld, bringe aber letztlich mehr, als "sündteure Inserate" zu schalten. (Steffen Arora, 29.1.2020)