Bundeskanzler Sebastian Kurz muss konkrete Taten für den Klimaschutz setzen.

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Es ist nicht weniger als eine Herkulesaufgabe, die sich die Regierung vorgenommen hat: klimaneutral bis "spätestens 2040". Was sich auf dem Papier wie das grünste aller Versprechen im Regierungsprogramm liest, wird aber nur mit Bemühungen in der Klimapolitik möglich sein, wie sie Österreich in den vergangenen Jahrzehnten nicht gesehen hat. Wissenschafter gehen davon aus, dass der Ausstoß in Österreich um fünf Prozent des derzeitigen Niveaus gesenkt werden muss – pro Jahr und ab sofort.

Logischerweise bedeutet das: Wenn die fünfprozentige Reduktion nicht gleich gelingt, werden die Anstrengungen in den übrigen Jahren höher und höher werden müssen. Unterm Strich muss die Republik ihren Ausstoß innerhalb von nur 20 Jahren von den derzeit emittierten 80 Millionen Tonnen CO2 auf null senken.

Einmaleffekte statt Trendwende

Ein Blick in die Vergangenheit zeichnet ein anderes Bild: Österreichs Ausstoß ist in den vergangenen Jahren mit Ausnahme des Jahrs 2018 gestiegen. Damals handelte es sich nicht um die von der Volkspartei propagierte "Trendwende", sondern um Einmaleffekte: Die Voest hatte zu Wartungszwecken einen Hochofen stillgelegt, der milde Winter tat ein Weiteres.

Während die Winter auch in den kommenden Jahrzehnten vermutlich eher wärmer werden, ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass der oberösterreichische Stahlriese jedes Jahr die Treibhausgasbilanz aufbessert. Daher muss Kanzler Sebastian Kurz zeigen, wie ernst er es wirklich mit dem Versprechen an seine Wähler meint. Ohne die notwendigen Mittel wird das nicht möglich sein.

Wissenschafter schätzen, dass pro Jahr zusätzliche Investitionen in der Höhe von mindestens vier Milliarden Euro notwendig sein werden, um die Nettonull früher zu erreichen. Zur Einordnung: Das entspricht der doppelten Summe dessen, was der Staat pro Jahr in das Bundesheer steckt. Das Geld wird nicht von selbst in die Kassen fließen – ohne Bereitschaft zum Umdenken geht es nicht.

Ein Prozent des Bruttoinlandprodukts

Kurz darf dabei einen gewichtigen Faktor nicht übersehen: Wenn er im Finanzministerium nicht jetzt die notwendigen Mittel – die übrigens einem Prozent des österreichischen Bruttoinlandprodukts entsprechen – lockermacht, könnte ein weiteres Nichthandeln viel teurer werden: Die Klimazielverfehlung allein dürfte den Staat bis 2030 bis zu 6,6 Milliarden Euro kosten, da CO2-Zertifikate zugekauft werden müssen. Hinzu kommen Kosten, die aufgrund von Ernteausfällen, Naturkatastrophen oder in der Gesundheitsversorgung entstehen.

Beim Kanzler scheinen die Folgekosten nicht zur Gänze angekommen zu sein. So sagte er vor wenigen Tagen in der Schweizer Boulevardzeitung Blick auf die Frage, ob er selbst grüner wurde: "Natürlich ist es sinnvoll, zu überlegen, ob man sparsamer mit Energie umgehen oder regionale Produkte kaufen könnte. So kann jeder Einzelne seinen Beitrag leisten." Das ist schlicht eine Themenverfehlung. Nicht Individuen müssen das "Klima retten", wie Kurz sagt, die Politik muss handeln – und er als Kanzler.

Der vom ÖVP-Chef gewünschte gemeinsame Weg von Umweltschutz und Wirtschaft steht dabei durchaus nicht im Widerspruch. Anstatt auf Einzeltechnologien zu setzen, muss Kurz allerdings das Gesamtbild betrachten. Dazu zählt auch, Gelder in den Klimaschutz zu stecken statt in fossile Energie. Immerhin fließen jährlich bis zu fünf Milliarden Euro in klimaschädliche Subventionen – mehr als das, was zum Erreichen des Klimaziels notwendig ist. (Nora Laufer, 29.1.2020)