Wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, stehen die kleinsten Cent-Münzen vor dem Aus.
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Schotter, Kupfer, Beilagscheiben – für die kleinsten der Euro-Cent-Münzen verwendet der Volksmund eher wenig wertschätzende Begriffe. Kein Wunder, im Alltag ist die Handhabung von Ein- und Zwei-Cent-Münzen oft zeitraubend und lästig. Nun dürfte näherrücken, was schon länger diskutiert wird und in anderen Ländern Realität ist: die Abschaffung der kleinsten Kupfermünzen. Dieses Vorhaben wird die EU-Kommission am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Arbeitsprogramms präsentieren, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Demzufolge schwebt der Kommission die Einführung einheitlicher Rundungsregeln vor mit dem Ziel, die kleinsten Münzen abzuschaffen. Sie beruft sich dabei auf den Wunsch der Bürger.

Gelebte Realität

Gelebte Realität ist die Abschaffung der kleinsten Kupfermünzen in Finnland seit der Euro-Bargeldeinführung im Jänner 2002. Geprägt wurden die Münzen zwar auf Druck der Europäischen Zentralbank, sie kamen dort aber de facto nicht wirklich in Umlauf. Sie sind aber weiterhin gesetzliches Zahlungsmittel, in der Praxis werden im Handel alle Artikel jedoch in Fünf-Cent-Schritten bepreist.

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Auch in Belgien oder den Niederlanden wurden Prägung und Ausgabe der kleinsten Kupfermünzen in den vergangenen Jahren eingestellt. Dementsprechend verweist nun auch die EU-Kommission auf einen Bericht aus dem Jahr 2018, wonach immer mehr Eurostaaten dazu übergegangen seien, Beträge beim Einkaufen auf volle fünf Cent runden zu lassen.

Abschaffung spart Kosten

Die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen spare deren Herstellungskosten, die Mühe beim Zählen sowie den Aufwand für den Transport. So will die EU-Kommission ihr Vorhaben den Bürgern schmackhaft machen. Jährliche Umfragen der Kommission hätten gezeigt, dass es in keinem Land mehr eine Mehrheit für die Beibehaltung dieser beiden Stückelungen gäbe.

Dem widerspricht man in der Prägeanstalt Münze Österreich. Hierzulande würden die Bürger die kleinen Cent-Stücke gern behalten, sagt Sprecherin Andrea Lang unter Berufung auf eigene Befragungen. "Die Österreicher schätzen Bargeld", ergänzt sie. "Wir produzieren die Münzen nicht auf Halde, sie werden tatsächlich nachgefragt."

Kleingeld bringt Ertrag

Zu den Erzeugungskosten: Die Prägeanstalt verkauft alle Münzen auf Bestellung zum Nennwert an die Oesterreichische Nationalbank, in deren Eigentum sie steht. Bei den jährlich zwischen 100 und 150 Millionen erzeugten Ein-Cent-Münzen erfolgt dies kostenneutral, bei den 50 bis 100 Millionen Zwei-Cent-Münzen erzielt die Münze Österreich einen kleinen Gewinn. Die Kosten liegen also beim oder knapp unter dem Wert der Münzen. Der Münze Österreich würde auch ein anderer, kleinerer Geschäftsbereich wegfallen. Sie exportiert Kupferrohlinge für Cent-Münzen an andere Prägeanstalten.

Keine Freudensprünge macht der Lebensmittelhandel ob der geplanten Abschaffung der kleinen Kupfermünzen.
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Unterschiedliche Positionen gibt es im Lebensmittelhandel. Spar bezieht gegen eine Abschaffung Stellung: "Für uns ist das nicht notwendig", sagt Sprecherin Nicole Berkmann, "im Lebensmittelhandel sind teilweise die Preise so klein, da geht es um jeden Cent." Leidenschaftslos gibt sich hingegen Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. Für die Beschäftigten an der Kasse sei das Zählen der Münzen natürlich mit Aufwand verbunden, aber die Bargeldnutzung gehe angesichts der zunehmenden Alternativen ohnehin zurück. Ob die Preise steigen könnten, kann und will er nicht beantworten.

Eigentlich liegt die Antwort auf der Hand: Die Erkenntnisse der Preispsychologie wird man auch nach Abschaffung der Cent-Münzen nicht beiseiteschieben – und beispielsweise für ein fertig abgepacktes Produkt zwei anstelle von 1,99 Euro verlangen. Anders sieht die Lage bei abgewogenen Artikeln aus. Dabei könnte es durch Aufrundungen auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag sehr wohl zu leichten Preiserhöhungen kommen.

"Aufrunden, bitte!"

Dabei hat Rewe das Problem mit der Handhabe der Cent-Beträge gezielt adressiert und mit sozialen Projekten verknüpft: Mit den Worten "Aufrunden, bitte!" an den Kassen von Billa, Merkur, Bipa und Penny werden durch das Aufrunden auf den nächsten Zehn-Cent-Betrag Hilfsprojekte unterstützt. Zwischen 2013 und 2019 wurde so mehr als eine Million Euro gesammelt und an gemeinnützige Caritas-Einrichtungen übergeben.

Dass die Bürger selbst im wenig Bargeld-affinen Finnland zu Kupfermünzen einen Bezug haben, zeigt eine Anekdote aus dem Jahr 2005. Damals gab die Notenbank die auf Halde liegenden Ein- und Zwei-Cent-Münzen in 50-Stück-Rollen zum Nennwert aus. Umgehend bildeten sich an den Ausgabestellen lange Schlangen, um an die Raritäten zu gelangen.

Für Barzahlung im täglichen Einkauf in Tschechien ist übrigens die Ein-Krone-Münze die kleinste Geldeinheit, Heller-Münzen werden nicht mehr ausgegeben. Im Handel werden Produkte aber noch mit Nachkommastellen bepreist und die Einkaufssumme auf Kronenbeträge gerundet. Dieser Praxis könnten die Kommissionspläne künftig entweder einen Riegel vorschieben oder sie zur Blaupause für die gesamte EU machen. (Alexander Hahn, Regina Bruckner, 29.1.2020)