Ob Birkenblüte, Erlen oder simple Gräser: Sobald die Pollen fliegen, fangen Allergiker an zu weinen. Hunderttausende sind betroffen.

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Der Pollenflug kommt fix, witterungsbedingt heuer möglicherweise früher als zuletzt. Allein in Österreich werden bei Hunderttausenden wieder Augen und Nasen zu rinnen beginnen. Der Weg in die Apotheke kann Linderung bringen, meist zeitverzögert, überwiegend aber mit unbefriedigendem Ergebnis.

Das Wiener Biotech-Unternehmen Marinomed, das 2006 als Spin-off der Veterinärmedizinischen Universität gegründet worden ist, will möglichst rasch ein Präparat auf den Markt bringen, das sofort wirkt. Es soll dieselbe Wirkung entfalten wie herkömmliche Mittel, allerdings mit einer um 85 Prozent niedrigeren Dosierung. Die Zeichen stehen gut.

Phase-III-Studie

Die klinische Phase-III-Studie, in der die Wirksamkeit eines Präparats in breit angelegten Untersuchungen hieb- und stichfest zu dokumentieren ist, wurde im Vorjahr erfolgreich abgeschlossen. "Nun geht es um die Zulassung", sagte Unternehmenschef Andreas Grassauer dem STANDARD, Voraussetzung sei die Implementierung einer großtechnischen Produktion mit dem Nachweis, dass der Prozess stabil läuft. Dazu muss den Behörden Datenmaterial über eine Zeitspanne von sechs Monaten zur Verfügung gestellt werden. Grassauer: "Wir rechnen, dass wir das ab Sommer machen können."

Basis des Ganzen ist eine von Marinomed geschaffene und patentierte Technologieplattform, mit der es gelingt, bisher schwer bis kaum lösbare Wirkstoffe in kleinste Bestandteile zu zerlegen. Budesolv heißt der Nasenspray, mit dem Marinomed kommendes Jahr gegen herkömmliche Mittel antreten will. Der infrage kommende Markt sei rund 13 Milliarden US-Dollar schwer, knapp die Hälfte entfalle auf nasale Steroide. "Davon möchten wir zehn Prozent abdecken", sagte Grassauer. Das wäre Pi mal Daumen ein Umsatzvolumen von umgerechnet 500 Millionen Euro.

Produktion in Frankreich

Anders als bei den antiviralen Nasen- und Rachensprays, auf die Marinomed bisher fokussiert war, wird die Lohnfertigung von Budesolv zunächst nicht bei Sigmapharm erfolgen, weil ein geplanter Werksneubau in Hornstein im Burgenland nicht rechtzeitig fertig wird. "Wir starten mit einem Partner in Frankreich, der für uns produziert", sagte Grassauer. Die Wertschöpfung könnte in weiterer Folge aber wieder zurück nach Österreich kommen. Der Vertrieb soll über Lizenzpartner erfolgen.

Das Spannende an der Technologie sei, dass man sie nahezu unbegrenzt replizieren könne. Als Nächstes hat sich Marinomed vorgenommen, ein Mittel gegen trockene, entzündliche Augen zu entwickeln. Das wird noch dauern, gilt es doch, erst einmal die passende Dosierung für Tacrosolv in einer Phase-II-Studie zu finden.

Die im Prime Market der Wiener Börse notierte Marinomed steht zu 58 Prozent in Streubesitz. Nach dem jüngsten Aktienverkauf ist die saudische Acropora Beteiligungs GmbH noch mit 16,6 Prozent an dem 40 Mitarbeiter großen Unternehmen beteiligt, der Rest gehört den Gründern um Grassauer und dem Management. (Günther Strobl, 29.1.2020)