Kleinkinder können Missstände selten benennen, und von außen sind sie kaum wahrnehmbar.

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Wien – Lange bevor die Justiz dem Verdacht auf Misshandlung und Quälerei von Kleinkindern in einem privaten Wiener Kindergarten nachging, gab es erste Hinweise auf mögliches Fehlverhalten. Im Oktober 2017 meldete eine Mutter, dass ihrer Tochter in der Schlafgruppe ins Gesicht gebissen wurde. Als sie ihr Kind zu Hause näher untersuchte, stellte sie überdies blaue Flecken und eine Kopfverletzung fest, die offenbar von einer sechszackigen Gabel herrührte. Die Mutter nahm Kontakt mit der Kindergartenleitung auf, der Fall landete in weiterer Folge auch bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11), die feststellte, das Mädchen sei aus einer mit Kastanien gefüllten Wanne gefallen und habe sich angeschlagen.

Ebenfalls 2017 gab es Beschwerde bei der Kindergartenleitung, der zufolge die Pädagoginnen die ihnen anvertrauten Kinder angeschrien und zu wenig zu trinken geben hätten und nasse Windeln nicht wechseln würden. Muslimischen Kindern habe man Schweinefleisch zu essen gegeben. Ein Kind erzählte zu Hause, es wolle "nicht ins Gefängnis". Offenbar war es zu diesem Zeitpunkt schon üblich, Kinder zur Strafe in den Waschraum zu schicken.

Anwalt vermutet Vertuschung

Die Eltern, die im Frühjahr 2019 an die Öffentlichkeit gingen, nachdem ihre Kinder ihnen vom Wegsperren in den Waschraum berichtet hatten, und ein Strafverfahren gegen zwei Pädagoginnen in die Wege leiteten, erfuhren von all dem nichts, obwohl ihre Kinder zum Teil bereits seit 2016 in dem Kindergarten untergebracht waren. "Wir wissen nicht, was den Kindern dort alles passiert ist", schilderte eine Mutter nun im Gespräch mit der APA. "Wäre das anders gelaufen, hätten wir früher reagieren können. Dann wäre den Betroffenen vieles erspart geblieben", fügte ein Vater hinzu. Der Wiener Anwalt Nikolaus Rast, der die Familien vertritt, wurde deutlicher: "Da wurden wissentlich Sachen, die passiert sind, vertuscht."

Staatsanwaltschaft stellte Verfahren ein

Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Wien in der Vorwoche das Strafverfahren gegen zwei Pädagoginnen eingestellt, die in Verdacht geraten waren, Kleinkinder im Alter zwischen eineinhalb und drei Jahren im Kindergarten strafweise "weggesperrt" zu haben. Die länger zurückliegenden Vorgänge wurden von der Staatsanwaltschaft nicht untersucht, zumal die Regionalleiterin des Kindergartenbetreibers der Anklagebehörde mitteilte, es habe in der betroffenen Einrichtung "vor dem 8. April 2019 keinerlei Auffälligkeiten" gegeben.

Die Anklagebehörde ging auch auf das klinisch-psychologische Gutachten nicht ein, das eine betroffene Mutter in Bezug auf ihren inzwischen fünfjährigen Sohn einholen hatte lassen. Die Expertise ergab, dass der Bub – er besuchte von 2016 bis 2019 den Kindergarten – an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Die Psychologin empfahl dem Buben eine intensive therapeutische Behandlung, die bis zu seinem achten Lebensjahr dauern soll.

Fortführungsantrag gestellt

Die Mutter des Buben, aber auch andere Eltern befürchten, dass ihren Kindern allfällige Folgeschäden aus Kindergartenerlebnissen den weiteren Lebensweg erschweren könnten. Sie fordern daher, dass von den Strafverfolgungsbehörden umfassender ermittelt wird. Ihr Anwalt hat gegen die Verfahrenseinstellung einen Fortführungsantrag eingebracht, über den das Wiener Landesgericht für Strafsachen entscheiden muss. (APA, red, 29.1.2020)